Betroffene müssen sich gegen die Übermittlung ihrer Daten aus Gerichtsakten an eine im betreffenden Verfahren unbeteiligte Behörde wehren können. Gerichte haben die Pflicht, in solchen Fällen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten, entschied das BVerfG in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass man die Möglichkeit haben muss, die Übermittlung von Daten aus Gerichtsakten an eine im Verfahren unbeteiligte Behörde gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Beschluss des OLG, einen entsprechenden Antrag als unzulässig abzuweisen, verletze den Antragsteller in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG (Beschl. v. 02.12.2014, Az. 1 BvR 3106/09).
Ein für Asylanträge zuständiger Beamter hatte mit einer Frau, die erfolglos Asyl beantragt hatte, ein Kind gezeugt. Als seine Behörde wegen möglicher dienstrechtlicher Maßnahmen Informationen vom Amtsgericht erbat, das die Frau zur Feststellung der Vaterschaft angerufen hatte, gab das Gericht diese weiter.
Der Mann war der Ansicht, dies hätte sie nicht tun dürfen. Vom zuständigen Oberlandesgericht (OLG) hatte er daraufhin beantragt, festzustellen, dass diese Weitergabe von Aktenbestandteilen rechtswidrig gewesen sei. Die Informationen stammten aus seinem nicht öffentlich verhandelten familienrechtlichen Verfahren und die Dienstbehörde sei nicht verfahrensbeteiligt gewesen. Das Gericht wies den Antrag als unzulässig zurück. Dieses Vorgehen hat das BVerfG nun als verfassungswidrig erachtet.
Liegt ein Akt der Rechtsprechung vor?
Die Übermittlung von Aktenbestandteilen an eine nicht verfahrensbeteiligte Behörde während eines Verfahrens fällt in den Schutzbereich von Art. 19 Abs. 4 GG. Das Vorgehen sei nämlich nicht als spruchrichterliche Tätigkeit zu beurteilen. Die Rechtsschutzgarantie schützt zwar gegen Akte der öffentlichen Gewalt, aber gerade nicht gegen Akte der Rechtsprechung.
Zwar sei die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen dem Beamten und der Mutter seiner Tochter um die Anerkennung der Vaterschaft an sich Rechtsprechung in diesem Sinne. Die Übersendung der gerichtsaktlichen Daten an die Dienstbehörde auf deren Ersuchen diene jedoch der Erfüllung ihrer eigenen behördlichen Aufgaben und nicht aber der Entscheidung des AG. Daher könne die Übersendung nicht allein deshalb, weil sie aus einem laufenden Rechtsstreit heraus erfolgte, als spruchrichterliche Tätigkeit qualifiziert werden. Vielmehr sei sie als Verwaltungstätigkeit anzusehen.
Nun muss das OLG erneut prüfen, ob die Datenweitergabe rechtens war. Zum einen muss es sich mit der Frage nach der Rechtsgrundlage der Übermittlung der Daten beschäftigen. Zum anderen muss es die verfassungsrechtlichen Bewertungsmaßstäbe überprüfen, die bei der Weitergabe von höchstpersönlichen Akteninhalten an die Dienstbehörde zu beachten sind.
dpa/age/LTO-Redaktion
BVerfG zur Übermittlung von Daten aus Gerichtsakten: . In: Legal Tribune Online, 14.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14375 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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