Auch die Verfassungsbeschwerde konnte Oskar Gröning nicht davor bewahren. Der Ex-SS-Buchhalter wird im neuen Jahr seine Haft antreten müssen. Sein Alter und sein gesundheitlicher Zustand ändern daran nichts, so das BVerfG.
Die Verfassungsbeschwerde war die letzte Möglichkeit für Oskar Gröning, dem Vollzug seiner vierjährigen Haftstrafe zu entgehen. Die hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aber erst gar nicht zur Entscheidung angenommen. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit habe bei der ablehnenden Entscheidung eines Vollstreckungsaufschubs ausreichend Berücksichtigung gefunden, teilte Karlsruhe am Freitag mit (Beschl. v. 21.12.2017, Az. 2 BvR 2772/17).
Erst im November dieses Jahres hatte das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Einwände der Verteidigung des 96-Jährigen gegen die Haftfähigkeit ihres Mandanten abgewiesen. Die rechtskräftige Verurteilung Grönings besteht bereits seit Ende 2016, als der Bundesgerichtshof (BGH) das Strafurteil des Landgerichts (LG) Lüneburg gegen Gröning bestätigt hat.
Das hatte den früheren SS-Mann im Juli 2015 zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Zuvor hatte er eingeräumt, in dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz Geld aus dem Gepäck der Verschleppten gezählt und weitergeleitet zu haben.
Alter schützt vor Strafvollzug nicht
Das BVerfG hat an der Abwägung des OLG Celle zwischen dem staatlichen Strafdurchsetzungsanspruch und dem Grundrecht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nichts auszusetzen.
Dabei bestätigten die Karlsruher Richter nochmals, dass das hohe Lebensalter Grönings für sich genommen nicht ausreichend sei, um von der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs abzusehen. Erschwerend komme vielmehr die rechtskräftige Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen hinzu.
Zwar müsse auch ein 96-Jähriger grundsätzlich die realisierbare Chance haben, die Freiheit wiederzuerlangen, führte die 3. Kammer des Zweiten Senats mit Blick auf einen menschenwürdigen Vollzug aus. Das sei aber nach den Ausführungen der Sachverständigen zum Gesundheitszustand und mit Blick auf eine mögliche teilweise Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung auch möglich.
Seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen könne durch entsprechende medizinische Vorkehrungen Rechnung getragen werden, so die Kammer. Sollte sich sein Gesundheitszustand im Laufe des Vollzugs dennoch erheblich verschlechtern, könne der Vollzug nach § 455 Abs. 4 Strafprozessordnung (StPO) unterbrochen werden.
Haftantritt im neuen Jahr
Gleiches gelte im Übrigen auch für etwaige psychische Beeinträchtigungen. Auch wenn die Umstände im Strafvollzug anders seien als das bisherige soziale Netz Grönings, sei die Einschätzung des OLG Celle nicht zu beanstanden, entschied das BVerfG.
Oskar Gröning wird also seine Haft antreten müssen. Die Ladung dazu wird die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover ihm dann im neuen Jahr zukommen lassen. Kurz vor dem Beschluss des BVerfG erklärte die Sprecherin Kathrin Söfker, dass sie noch nicht sagen könne, wann es zu einer Ladung kommen werde. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir […] noch vor Neujahr eine entsprechende Ladung verschicken werden."
Jahrzehntelang waren die in Auschwitz an der Tötung von Häftlingen Beteiligten nicht zur Verantwortung gezogen worden, wenn sie zwar wie Gröning Rad im Getriebe waren, aber nicht selbst getötet hatten. Von den 6.500 SS-Männern, die in Auschwitz über die Jahre ihren Dienst taten, seien so nur 49 verurteilt worden, hatte der Vorsitzende Richter in Lüneburg kritisiert. Die Bestätigung durch den BGH ebnete den Weg für Anklagen gegen weitere Schergen des Regimes.
mgö/pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Ehemaliger SS-Buchhalter verliert auch vor dem BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 29.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26227 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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