Seit Jahren kämpft Attac um seinen Gemeinnützigkeitsstatus. Da der BFH bei seiner engen Auslegung bleibt und dem Verein keine politische Bildungsarbeit attestiert, haben die Globalisierungskritiker nun Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Das Anti-Globalisierungsnetzwerk Attac legt nach der Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit Verfassungsbeschwerde ein. Nachdem der Verein nun das dritte Mal in Serie bei der Finanzgerichtsbarkeit unterlag, ist der Rechtsweg ausgeschöpft. Attac hofft nun auf einen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das teilte der Attac-Koordinierungskreis am Donnerstag in Frankfurt mit. Zuvor hatte der Bundesfinanzhof (BFH) ein weiteres Mal die Gemeinnützigkeit Attacs verneint und die Revision gegen das vorangegangene Urteil des hessischen Finanzgerichts zurückgewiesen.
In dem Streit geht es um die Frage, ob politische Forderungen, wie sie von Attac erhoben werden, gemeinnützig sind oder nicht - und ob politischen Initiativen die mit der Gemeinnützigkeit verbundenen Steuervorteile zustehen.
BFH: Attac ist zu politisch
In der Abgabenordnung sind mehrere Dutzend Zwecke als gemeinnützig anerkannt, inklusive der Volksbildung und der "allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens". Doch weder Tagespolitik noch Parteien zählen dazu. Ausdrücklich ausgeschlossen sind "Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen", wie es im Gesetz heißt. "Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck im Sinne von § 52 der Abgabenordnung", befand der BFH letztlich, als er Attac den Gemeinnützigkeitsstatus absprach.
Das bezieht sich darauf, dass Attac konkrete politische Ziele verfolgt. Derzeit setzt sich die Organisation etwa für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und gegen ein Freihandelsabkommen der EU mit Südamerika ein. Attac warf dem BFH vor, die Abgabenordnung zu restriktiv auszulegen: "Mit ihrer juristisch umstrittenen, überaus engen Auslegung der gemeinnützigen Zwecke der politischen Bildung und der Förderung des demokratischen Staatswesens behindern die Richter:innen am BFH die Arbeit von tausenden fürs Gemeinwohl engagierten Vereinen", erklärte Vorstandsmitglied Dirk Friedrichs.
Zwar dürfen Körperschaften nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Förderung ihrer Zwecke in gewissen Grenzen auch politisch tätig werden, um Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Die politische Arbeit dürfe aber nicht in Aktivismus umschlagen, so der Fünfte Senat. Dem läuft es ihrer Meinung nach zuwider, wenn eine Organisation wie Attac gezielt agiert, um die Öffentlichkeit für von ihr verfolgte Ziele zu gewinnen.
"Juristisch nur schwer zu klären"
Mittlerweile gibt es in dem Streit vier Gerichtsentscheidungen: Zunächst erkannte das Finanzamt Attac die Gemeinnützigkeit ab, Attac klagte und gewann 2016 in erster Instanz vor dem hessischen Finanzgericht (FG). Der BFH kassierte dieses Urteil Anfang 2019 und gab das Verfahren an das hessische FG zurück - mit der Maßgabe, dass Politik als solche nicht gemeinnützig sei. Dementsprechend wies dann das hessische FG die Attac-Klage ab. Dagegen legte Attac Revision ein, das Verfahren landete erneut vor dem BFH, vor dem Attac nun wieder scheiterte.
Offenbar ist der gesellschaftspolitische Streit um die Funktionen zivilgesellschaftlicher Organisationen juristisch nur schwer zu klären, auch wenn Attac nun Verfassungsbeschwerde einlegt. Nötig wären politische Entscheidungen für den dringend nötigen Freiraum für zivilgesellschaftliches Engagement in einer modernen Demokratie, kommentierte Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung", das weitere Vorgehen Attacs vor dem BVerfG.
Beschwerden wegen unübersichtlicher Kriterien für die Gemeinnützigkeit
Auch wenn der Gemeinnützigkeitsstreit in Berlin nicht ohne Folgen geblieben ist, Fürsprecher hat Attac sowohl bei der Linken als auch bei SPD und Grünen. Mittlerweile ist die Gemeinnützigkeit in der Abgabenordnung ein weiteres Mal ausgeweitet worden. Neu hinzugekommen ist im vergangenen Jahr unter anderem die "Förderung der Hilfe für Menschen, die auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden".
Damit habe der Bundestag die Chance verpasst, Rechtssicherheit für demokratisches Engagement herzustellen, so Diefenbach-Trommer, der sich eine Klarstellung für die Umschreibung "politische Bildung" gewünscht hätte.
Daneben stehen förderungswürdige Zwecke wie der Tierschutz, der Amateurfunk, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Schachspiel, der Fasching und der Hundesport. Sowohl Finanzbeamte als auch Steuerrechtler kritisieren seit Jahren, dass die Kriterien, wann den nun etwas als gemeinnützige Tätigkeit einzustufen ist, immer unübersichtlicher würden.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Verfassungsbeschwerde gegen BFH-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44118 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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