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BVerfG zum Bildungs- und Teilhabepaket: Bund über­trug den Kom­munen zu viele Auf­gaben

07.08.2020

Sparschwein und Fragezeichen - wer zahlt?

Andrey Popov - stock.adobe.com

Bedürftigen Kindern hilft der Staat mit Geld für neue Schulsachen oder Klassenfahrten. Für die Kommunen bedeutet das aber auch mehr Arbeit und Ausgaben. Zehn Städte in NRW haben jetzt ein Grundsatzurteil erstritten.

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Geld für neue Hefte oder den Schulausflug, das gemeinsame Mittagessen oder die Busfahrkarte - der Staat unterstützt bedürftige Kinder und Jugendliche mit verschiedenen Leistungen. Im Bereich der Sozialhilfe können die zuständigen Kreise und kreisfreien Städte jetzt auf finanzielle Entlastung hoffen: Der Bund habe ihre Aufgaben auf diesem Gebiet vor fast zehn Jahren in unzulässiger Weise stark ausgeweitet, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das muss bis Ende 2021 durch eine Neuregelung behoben werden, wie das Gericht in Karlsruhe am Freitag mitteilte (Beschl. v. 07.07.2020, Az. 2 BvR 696/12).

Landkreistag und Städtetag erwarten, dass die Aufgaben den Kommunen nun von den jeweiligen Ländern statt vom Bund zugewiesen werden. Für die Betroffenen ändert sich also nichts. Für die Kreise und kreisfreien Städte macht die Korrektur aber nicht nur einen technischen Unterschied: Bisher mussten sie die Mehrbelastung allein schultern. Künftig müssen die Länder die Finanzierung sicherstellen.

"Wir sind ohne Frage bereit, diese Aufgabe auszuführen – aber irgendwoher muss das Geld kommen", sagt Irene Vorholz, Sozialdezernentin beim Deutschen Landkreistag in Berlin. "Und hier stehen die Länder in der Verantwortung."

Auch der Deutsche Städtetag hat die Erfahrung gemacht, dass der Bund immer wieder versuche, den Städten Aufgaben neu zu übertragen oder sie zu erweitern. "Das ist deshalb problematisch, weil für den Mehraufwand der Kommunen in der Regel kein Kostenausgleich erfolgt und so der finanzielle Handlungsspielraum stetig kleiner zu werden droht", sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Zu viele Aufgaben für die Landkreise und Städte

In diesem Fall war der Bund nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010 aktiv geworden. Die Richter hatten damals die Hartz-IV-Leistungen beanstandet - ein menschenwürdiges Existenzminimum sei nicht immer gewährleistet. Daraufhin wurden unter anderem die sogenannten Bildungs- und Teilhabeleistungen ausgebaut.

Die neue Entscheidung betrifft Kinder von Sozialhilfe-Empfängern, nicht von Hartz-IV-Beziehern. Das sind deutlicher weniger. Die Leistungen sind aber für beide Gruppen identisch ausgestaltet. Bedürftige Schüler konnten schon länger finanzielle Unterstützung für mehrtägige Klassenfahrten und Schulsachen bekommen. Mit der Ausweitung 2011 kamen auch eintägige Schulausflüge, Fahrkarten, der Nachhilfeunterricht und das Mittagessen dazu. Außerdem werden seither nicht nur Schüler, sondern zum Beispiel auch Kita-Kinder unterstützt.

All das lastete der Bund zusätzlich den Landkreisen und Städten auf. Das geht den Verfassungsrichtern allerdings zu weit, wie sie mit dem am Freitag veröffentlichten Beschluss klarstellten. Denn seit der Föderalismusreform im Jahr 2009 ist es dem Bund untersagt, den Kommunen neue Aufgaben zu übertragen. Der Zweite Senat stellte deshalb noch einmal klar, dass sich damit auch eine deutliche Ausweitung bereits übertragener Aufgaben verbietet - und zwar immer dann, wenn "damit mehr als unerhebliche Auswirkungen auf die Organisations-, Personal- und Finanzhoheit der Kommunen verbunden sind".

Übergangsfrist, um Zahlungsaufälle zu vermeiden

Zehn kreisfreie Städte in Nordrhein-Westfalen hatten eine Kommunalverfassungsbeschwerde erhoben: Bielefeld, Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Hagen, Köln, Krefeld, Leverkusen, Oberhausen und Remscheid. Gemeinden sind als Träger öffentlicher Gewalt zwar nicht grundrechtsberechtigt. Das Grundgesetz sichert ihnen aber das Recht auf kommunale Selbstverwaltung zu. Dieses Recht sehen die Verfassungsrichter durch die Extra-Aufgaben verletzt.

Trotzdem erklärten sie die Regelungen nicht sofort für nichtig. Denn ohne gesetzliche Grundlage könnten die Sozialhilfe-Träger von einem Tag auf den anderen keine Leistungen mehr gewähren. Das wollen die Richter durch die Übergangsfrist bis Ende 2021 vermeiden.

Die Leistungen für bedürftige Kinder und Jugendliche waren zuletzt durch das "Starke-Familien-Gesetz" aufgestockt worden. Seit August 2019 gibt es zum Schuljahresanfang 150 statt 100 Euro. An den Kosten für das warme Mittagessen in Kita oder Schule und den Fahrtweg müssen sich die Eltern nicht mehr beteiligen. Nachhilfe können jetzt auch Kinder bekommen, die nicht akut versetzungsgefährdet sind.

dpa/acr/LTO-Redaktion

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BVerfG zum Bildungs- und Teilhabepaket: . In: Legal Tribune Online, 07.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42439 (abgerufen am: 15.11.2025 )

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