BVerfG: Jugend­li­cher zu Unrecht in Psy­ch­ia­trie unter­ge­bracht?

08.09.2021

Ein Jugendlicher hat sich mit Erfolg gegen seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewehrt. Die Entscheidung der Vorinstanz verletzt ihn in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz, so das BVerfG.

Ein Jugendlicher, der 2020 gegen seinen Willen in einer Psychiatrie untergebracht war, hat mit Erfolg Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Das zuständige Oberlandesgericht München (OLG) habe die Beschwerden des damals 15-Jährigen vorschnell abgewiesen und damit seine Rechte auf effektiven Rechtsschutz verletzt, teilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Mittwoch mit (Beschl. v. 08.09.2021, Az. 2 BvR 2000/20). Das OLG muss den Fall nun ein zweites Mal prüfen.

Gegen den 15-jährigen Jugendlichen hatte es zwei Unterbringungsbeschlüsse gegeben, weil es immer wieder zu gewalttätigen Konflikten mit seinen Eltern kam. Daraufhin war er in einer kinder-und jugendpsychiatrischen Einrichtung untergebracht worden. Gegen beide Beschlüsse hatte sich der Junge mit einer Beschwerde gewehrt.  

In seiner Zeit in der Klinik hatte er den Wunsch geäußert, die Einrichtung zu wechseln. Nach seiner Darstellung hätten ihm die Ärzte zu verstehen gegeben, dies sei nur möglich, wenn er seine Beschwerde fallen lasse. Daher richtete der Jugendliche ein entsprechendes Schreiben an das OLG und nahm die Beschwerde weitgehend zurück. Dabei führte er aus, eine Verlegung sei nach Auskunft der behandelten Ärzte nur am morgigen Tag möglich. Da er die Verlegung für äußerst wichtig halte, nehme er seine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts unter der "Kondition" zurück, dass der Beschluss auf eine geschlossene jugendpsychiatrische Einrichtung geändert werde.

Diese Änderung hatte das OLG als Anlass genommen, eine Rechtsverletzung des Jungen durch die Unterbringung abzulehnen. Das Gericht hatte aufgrund der Rücknahme der Beschwerde angenommen, der Junge akzeptiere seine Unterbringung.

Verstoß gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz

Das sahen die Verfassungsrichterinnen und -richter jedoch anders. Durch die Entscheidung des OLG sei der Jugendliche in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verletzt. Es sei schon fraglich, ob der Ansatz des OLG, den Antrag des Jungen als Gegenvorstellung zu deuten, dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genüge. 

Zudem habe das OLG das konkrete Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers nicht hinreichend ermittelt. 

Weiterhin gebe es "Anhaltspunkte" dafür, dass sich der Jugendliche bei der Rücknahme der Beschwerde "in einer Drucksituation wähnte". Gleichzeitig spreche vieles dafür, dass er mit seiner Behandlung zu keiner Zeit einverstanden gewesen sei. Das alles habe das OLG nicht berücksichtigt, sondern dem Beschwerdeführer unterstellt, die gesamte Unterbringung durch die Beschwerderücknahme "letztendlich akzeptiert" zu haben. Die Würdigung des OLG genüge den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht.

cp/fkr/pdi/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 08.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45948 (abgerufen am: 14.10.2024 )

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