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BVerfG definiert Voraussetzungen: Wann Gerichte EuGH-Vor­lagen in Dritt­ver­fahren berück­sich­tigen müssen

12.01.2018

Gerichtssaal

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Gerichte müssen Vorlagefragen an den EuGH in anderen Verfahren nur dann berücksichtigen, wenn diese entscheidungserheblich und erforderlich sind. Dazu braucht es genug Tatsachenvortrag, so das BVerfG im Fall einer Asylbewerberin.

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Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in anderen Verfahren als dem eigenen anhängigen Eilverfahren führen nicht ohne weiteres dazu, dass die Fachgerichte einen (vorläufig) stattgebenden Beschluss erlassen müssen, um die Entscheidung des EuGH berücksichtigen zu können. Das hat, wie am Freitag bekannt wurde, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden und damit die Verfassungsbeschwerde einer Asylbewerberin nicht zur Entscheidung angenommen, die sich auf in Drittverfahren gestellte Vorlagefragen bezogen hatte (Beschl. v. 14.12.2017, Az. 2 BvR 1872/17).

Die Beschwerdeführerin ist armenische Staatsangehörige und reiste 2017 mit einem italienischen Visum nach Deutschland ein. Kurz nach der Ankunft stellte sie einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als unzulässig ablehnte. Gegen die Abschiebungsanordnung nach Italien erhob die Armenierin Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Münster und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Sie leide an einer Herzerkrankung und habe bei einer Überstellung nach Italien nach Statuszuerkennung eine menschenrechtswidrige Behandlung zu befürchten, so die Beschwerdeführerin zur Begründung. Zudem erforderten Vorlagebeschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 27.06.2017, Az. 1 C 26.16) und des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschl. v. 15.03.2017, Az. A 11 S 2151/16)  eine Aussetzung der Überstellung nach Italien bis zur Klärung der vorgelegten Fragen durch den EuGH. 

Hauptsacheverfahren auch von Italien aus betreibbar

Das VG lehnte ihren Eilantrag aber ab. Dagegen erhob die Frau Verfassungsbeschwerde und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die erste Kammer des zweiten Senats nahm die Sache nicht zur Entscheidung an, die Frau habe Grundrechtsverstöße nicht hinreichend dargelegt.

Zwar gebiete es das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), eine sich im Eilverfahren stellende unionsrechtliche Frage grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn sich die Beschwerdeführer auf eine Vorlage an den EuGH berufen, die in einem anderen Verfahren bereits erfolgt ist. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die Vorlage auch im eigenen Verfahren entscheidungserheblich und erforderlich ist, entschied das BVerfG.

In den Verfahren vor dem BVerwG und in Baden-Württemberg ging es darum, ob in ein Land der EU abgeschoben werden darf, wenn zwar nicht durch die dort zu erwartende Behandlung während des Asylverfahrens, aber im Falle einer Statuszuerkennung eine menschenrechtswidrige Behandlung drohen würde. 

Die Asylbewerberin habe aber, so die Karlsruher Richter, nicht hinreichend erklärt, dass eine der dort aufgeworfenen Fragen auch für ihr Verfahren entscheidungserheblich ist und das VG deshalb unionsrechtlich ungeklärte Rechtsfragen im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung hätte berücksichtigen müssen. So habe sie nicht hinreichend dargelegt, dass die tatsächliche Situation im Zielland der Abschiebung gerade für Inhaber eines Schutzstatus menschenrechtswidrig sei. Ebenso wenig habe sie hinreichend dargelegt, dass es für sie unzumutbar wäre, das Hauptsacheverfahren in Deutschland von Italien aus zu betreiben.

acr/pl/LTO-Redaktion

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BVerfG definiert Voraussetzungen: . In: Legal Tribune Online, 12.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26449 (abgerufen am: 12.11.2025 )

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