Bundesverfassungsgericht zur Bundestagswahl: Kleine Par­teien müssen wei­terhin Unter­schriften sam­meln

18.12.2024

Um bei der Bundestagswahl mitmachen zu können, müssen kleine Parteien beziehungsweise ihre Kandidaten Unterschriften sammeln. Dass das so bleibt, auch wenn es im Februar 2025 verfrüht Neuwahlen gibt, hat das BVerfG klargestellt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in zwei Fällen entschieden, dass die Pflicht zur Einreichung von Unterstützungsunterschriften zur Bundestagswahl 2025 bestehen bleibt (Beschl. v. 10.12.2024, Az.: 2 BvQ 73/24; Beschl. v. 10.12.2024, Az.: 2 BvE 15/23). 

Nach der wie beabsichtigt verlorenen Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz wird die Bundestagswahl voraussichtlich bereits am 23. Februar 2025 statt im September 2025 stattfinden. Anders als die etablierten Parteien müssen kleinere Parteien für die Teilnahme an der Bundestagswahl sogenannte Unterstützungsunterschriften vorlegen. Dabei handelt es sich um Unterschriften von Wahlberechtigten, die eine Partei oder ein Kandidat vorlegen muss, um an einer Wahl teilnehmen zu können, sofern sich die Partei nicht bereits anderweitig zur Wahlteilnahme qualifiziert hat. 

Nach § 20 Abs. 2 S. 3, § 27 Abs. 1 S. 2, jeweils in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWahlG), benötigen Parteien, die im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag seit deren letzter Wahl nicht ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten waren, für ihre Teilnahme an der Bundestagswahl eine gewisse Anzahl Unterschriften. Eine Ausnahme gilt nur für Parteien nationaler Minderheiten. Ansonsten brauchen Parteien 200 Unterstützungsunterschriften für jeden Kreiswahlvorschlag und bis zu 2.000 Unterstützungsunterschriften für ihre jeweiligen Landeslisten.

Gegen dieses Erfordernis, diese Unterstützungsunterschriften zu sammeln, gingen jeweils eine Partei und ein Politiker vor. Ihr Kernargument: Weil die Neuwahl schon im Februar stattfindet, bleibe ihnen nicht genug Zeit, die notwendigen Unterschriften zu sammeln. Über beide Fälle hat das BVerfG nun entschieden.

Anzahl der geforderten Unterschriften nicht zu hoch

Im ersten Fall musste sich das BVerfG mit einer Organklage der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), welche weder in einem Landtag noch im Bundestag vertreten ist, gegen den Deutschen Bundestag beschäftigen. Mit dieser machte die ÖDP geltend, der Deutsche Bundestag hätte bei der Wahlrechtsreform im Jahr 2023 die Erfordernisse von Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge abschaffen oder modifizieren müssen.

Das BVerfG stellte klar: Durch das Unterlassen einer Änderung von § 20 Abs. 2 S. 3 und § 27 Abs. 1 S. 2 BWahlG sei die ÖDP nicht in ihren Rechten auf politische Willensbildung aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Die Unterschriftenerfordernisse beschränkten zwar das Wahlvorschlagsrecht, so das BVerfG. Dies sei aber gerechtfertigt, denn der Zweck der Unterschriftenerfordernisse sei es, die Anzahl der zugelassenen Wahlvorschläge zu reduzieren, um den Charakter der Wahl als "einen Integrationsvorschlag bei der politischen Willensbildung des Volkes" zu sichern. Die Beschränkung des Wahlvorschlagrechts ziele darauf ab, die Stimmen der Wähler zu bündeln und stabile Mehrheits- und Regierungsverhältnisse zu ermöglichen. 

Zur Erreichung dieses Ziels ist das Erfordernis von Unterstützungsunterschriften laut BVerfG auch geeignet und erforderlich. Die Höhe des Unterschriftenquorums sei nicht zu beanstanden, denn es mache eine Teilnahme kleiner und neuer Parteien weder unmöglich noch erschwere sie die Teilnahme in unzumutbarer Weise. In der Vergangenheit sei dies bereits mehrfach bewiesen worden, indem kleine und neue Parteien mit Wahlkreisvorschlägen an der Bundestagswahl teilgenommen hätten.

Auch die Chancengleichheit der Parteien sei nicht verletzt, indem das Unterschriftenerfordernis auf Parteien begrenzt werde, die ihre Wahlbeteiligung nach § 18 Abs. 2 BWahlG anzeigen müssen und keine Parteien nationaler Minderheiten sind. Es sei verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber Parteien nationaler Minderheiten in besonderer Weise fördere.

Kritik an Wahlgesetzänderung kommt zu spät

In einem anderen Fall hat das BVerfG den Antrag eines Politikers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Er wollte, dass die Verpflichtung zur Einreichung von Unterstützungsunterschriften für Landeslisten und Direktkandidaten bei der kommenden Bundestagswahl ausgesetzt wird. Konkret ging es dem Mann um die Verpflichtung, auch dann Unterschriften sammeln zu müssen, wenn der Bundestag zuvor aufgelöst worden ist und die Wahl vorzeitig innerhalb der 60-Tages-Frist stattfindet, die das Grundgesetz vorsieht.

Das BVerfG entschied, dass der Antrag des Mannes bereits unzulässig sei. Das BWahlG könne nicht durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde, die hier der noch einzulegende Hauptsacherechtsbehelf sein könnte und die sich gegen Akte der Legislative richtet, angegriffen werden. Der Grund: Das BWahlG wurde am 14. Juni 2023 substanziell verändert, die einjährige Beschwerdefrist sei entsprechend schon abgelaufen. 

Laut BVerfG liegen auch keine Gründe vor, die diese Frist wieder in Gang setzen könnten. Außerdem seien keine besonderen Umstände von staatspolitischer Bedeutung ersichtlich, die eine Ausnahme von den engen Grenzen des Rechtsschutzes vor einer Wahl begründen könnten.

eh/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Bundesverfassungsgericht zur Bundestagswahl: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56140 (abgerufen am: 12.02.2025 )

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