Kein Eilbedürfnis bei abgetauchtem Asylbewerber: BVerfG ver­hängt hohe Miss­brauchs­ge­bühr gegen Anwalt

von Tanja Podolski

27.09.2017

Sind Mandanten untergetaucht, um einer Abschiebung zu entgehen, besteht keine Eilbedürftigkeit. Wer sich dennoch in dieser Phase mit einem Eilantrag ans BVerfG wendet, muss sich auf eine deftige Missbrauchsgebühr einstellen.

Anwälte von Asylbewerbern müssen in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren die wesentlichen Unterlagen vorlegen, damit ihr Vortrag hinreichend substantiiert ist. Dazu gehören der Bescheid im Asylerstverfahren, der Bescheid über die Ablehnung, ein Folgeverfahren durchzuführen und eine ausreichende Schilderung der Lebensumstände der Antragsteller, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem am Mittwoch bekannt gegebenen Beschluss (Beschl. v. 04.09.2017, Az. 2 BvQ 56/17).

Darin macht der Senat sehr deutlich, dass keine Eilbedürftigkeit besteht, wenn der abgelehnte Asylbewerber untergetaucht ist, um seiner Abschiebung zu entgehen. Strebt der Rechtsanwalt gleichwohl ein einstweiliges Rechtschutzverfahren an, muss er mit einer deftigen Missbrauchsgebühr rechnen. Wohlgemerkt: der Anwalt, nicht der untergetauchte Mandant.

Viele Anlagen, aber wenig Wesentliches

Ein Afghane, 2011 ins Bundesgebiet eingereist, durchlief sein Asylverfahren und wurde abgelehnt. Als die Abschiebung drohte, beantragte er am 11. September diesen Jahres beim Verwaltungsgericht (VG) München den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das VG lehnte ab: Es fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller die besondere Eilbedürftigkeit selbst zu vertreten habe. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet (Az. M 26 K 17.33871).

Am 12. September 2017 übermittelte sein  Anwalt zwischen 15:20 Uhr und 18:45 Uhr per Fax an das BVerfG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Versehen war der mit zahlreichen Anlagen – insgesamt etwa 450 Seiten. Nicht darunter waren allerdings die Bescheide über das Erst- und das Folgeverfahren.

Der Anwalt trug insbesondere vor, die Abschiebung stehe noch am 12. September 2017 bevor. Am nächsten Tag jedoch stellte sich auf Nachfrage heraus, dass der Anwalt bereits am Morgen des 12. September erfahren hatte, dass sein Mandant untergetaucht war. Der Afghane konnte nicht abgeschoben werden.

Nicht genug Sachverhalt für eine Folgenabwägung

Der Zweite Senat hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig sei. Da die wesentlichen Unterlagen nicht vorlägen und die Lebensumstände des Afghanen nur unzureichend geschildert seien, sei eine Verfassungsbeschwerde unsubstantiiert. Für eine Folgenabwägung – was bedeutet der Vollzug der Abschiebung in Abwägung zur möglicherweise fehlerhaften einstweiligen Anordnung – sei daher kein Raum.

Was jedoch vorliege, und insofern sei die Ansicht des VG München "unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar", sei das Rechtschutzbedürfnis. Dieses ergebe sich regelmäßig schon daraus, dass der Termin der Abschiebung nach § 59 Abs. 1 Satz 8 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht angekündigt werde.

Grob irreführendes Verhalten

Die nächste Schelte ging an den Anwalt: Der habe vor der Übersendung seines Antrags nebst Anlagen gewusst, dass sein Mandant untergetaucht war und damit die Abschiebung gerade nicht bevorstehen konnte. Sein Verhalten sei grob irreführend gewesen.

Das BVerfG leitet seine diesbezügliche Entscheidung mit dem Standard-Satz ein: "Das BVerfG muss es aber nicht hinnehmen, an der Erfüllung seiner Aufgaben durch erkennbar missbräuchliche Anträge gehindert zu werden." Es kann nach § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) eine Missbrauchsgebühr in Höhe von bis zu 2600 Euro auferlegen – und machte davon auch Gebrauch. Der Senat verhängte die maximale Höhe.

Die falschen Angaben wogen umso schwerer, als die bevorstehende Sammelabschiebung nach Afghanistan bekannt war. Andere Menschen bräuchten den Rechtsschutz durch das BVerfG und damit auch seine Ressourcen tatsächlich, so das BVerfG.

Missbrauchsgebühren in dieser Höhe verhängt das Gericht durchaus selten – zuletzt im Jahr 2008. Im vergangenen Jahr verhängte es insgesamt zehn Mal eine Missbrauchsgebühr.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Kein Eilbedürfnis bei abgetauchtem Asylbewerber: . In: Legal Tribune Online, 27.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24735 (abgerufen am: 11.10.2024 )

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