Bundespräsident Joachim Gauck ist für klare Worte bekannt. Ob er Rechtsextreme als Spinner, Ideologen und Fanatiker bezeichnen durfte, prüfte am Dienstag das BVerfG in einer mündlichen Verhandlung. Angestrengt hat das Verfahren die NPD.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) prüft, ob Bundespräsident Joachim Gauck mit Äußerungen über Rechtsextreme zu weit gegangen ist. Gauck hatte bei einer Veranstaltung vor Schülern in Berlin auf Proteste gegen ein Asylbewerberheim reagiert und die Protestierenden als "Spinner" bezeichnet, denen man ihre Grenzen aufweisen müsse. Die rechtsextreme Partei ist der Auffassung, Gauck habe damit seine Pflicht zur parteipolitischen Neutralität verletzt. Sie hat deshalb in Karlsruhe ein Organstreitverfahren beantragt. Das Gericht will nun grundsätzlich klären, wie weit ein Staatsoberhaupt in Reden, Interviews und Gesprächen gehen darf. Mit einem Urteil ist in einigen Monaten zu rechnen (Az. 2 BvE 4/13).
"Der Bundespräsident muss und darf das sagen, was ihm wichtig ist, auch wenn er damit im Gegensatz zu einer politischen Partei steht", sagte Gaucks Prozessvertreter Joachim Wieland in der mündlichen Verhandlung am Dienstag. Der Präsident stelle sich schützend vor die Werte der Verfassung. "Wo diese Werte angegriffen werden, kann er nicht neutral sein."
Staatssekretär: "Der Bundespräsident wirkt durch das Wort"
Gauck selbst erschien nicht in Karlsruhe, doch zum Abschluss der Verhandlung verlas Staatssekretär David Gill eine Erklärung in seinem Namen. Das Amt des Bundespräsidenten könne "nur gelingen, wenn der Bundespräsident Werte und Positionen, deren Grundlagen in unserer Verfassung liegen, offen formulieren und verteidigen kann", heißt es darin. "Der Bundespräsident wirkt durch das Wort."
Gauck hatte Ende August auf wochenlange, von der NPD unterstützte ausländerfeindliche Proteste gegen ein Asylbewerberheim in Berlin reagiert und die Gegendemonstranten unterstützt. Vor rund 400 Schülern in Berlin sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler: "Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen, die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Und dazu sind Sie alle aufgefordert." Auf die Frage, was er von einem Verbotsverfahren gegen die NPD halte, sagte Gauck unter anderem: "Wir können die Partei verbieten, aber die Spinner und die Ideologen und die Fanatiker die haben wir dann nicht aus der Welt geschafft."
NPD-Anwalt: "Das geht in Richtung Schmähkritik"
Die NPD ist der Ansicht, Gauck habe damit die Grenzen parteipolitischer Neutralität überschritten und sich in unzulässiger Weise in den Wahlkampf eingemischt. Es ist das erste Mal, dass ein Staatsoberhaupt wegen seiner Wortwahl verklagt worden ist.
Der Bundespräsident sei eine Integrationsfigur, sagte NPD-Anwalt Peter Richter. Wenn er gesellschaftliche Themen aufgreife, müsse er sachlich bleiben. Gauck habe hier jedoch die erforderliche sachliche Ebene verlassen und die NPD und ihre Anhänger kurz vor der Bundestagswahl direkt angegriffen und verunglimpft. "Das geht in Richtung Schmähkritik", meinte Richter.
Mit einem Eilverfahren war die NPD im September gescheitert. Zwar stellte das BVerfG fest, dass das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit bei Wahlen verletzt wird, wenn Staatsorgane, zu denen der Bundespräsident zählt, zugunsten oder zulasten einer politischen Partei in den Wahlkampf eingreifen. Die Verfassungsrichter sahen aber keine Wiederholungsgefahr vor der Bundestagswahl (Beschl. v. 17.09.2013, Az. 2 BvE 4/13).
dpa/cko/LTO-Redaktion
BVerfG prüft Äußerungen Gaucks zu Rechtsextremen: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11156 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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