BVerfG zur Absenkung von Unterschriftenquoren nach BWahlG: Kleine Par­teien müssen trotz Corona Unter­schriften sam­meln

27.04.2021

Um bei der Bundestagswahl 2021 teilnehmen zu können, müssen nicht im Bundestag vertretene Parteien Unterstützungsunterschriften sammeln. Dass die Covid19-Pandemie dies unmöglich macht, haben sie laut BVerfG nicht hinreichend dargelegt.

Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind, müssen trotz Covid19-Pandemie Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten sammeln und vorlegen, wenn sie an der Bundestagswahl 2021 teilnehmen wollen. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Organstreitverfahren entschieden und die Anträge gegen den Bundestag auf Abschaffung der erforderlichen Unterschriftenquote als unzulässig abgelehnt. Allerdings verweist das BVerfG darauf, dass der Bundestag  zu überprüfen hat, ob die Einhaltung der Quoten in der Pandemie möglich ist (Beschl. v. 13.04.2021, Az. 2 BvE 1/212 und BvE 3/21).

Das BVerfG hatte über Anträge der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands und der Bayernpartei e.V. zu entscheiden. Diese Parteien sind weder in einem Landtag noch im Bundestag vertreten. Nach § 18 Abs. 2 BWahlG können solche Parteien nur dann an der Bundestagswahl teilnehmen, wenn der Bundeswahlausschuss ihre Parteieigenschaft festgestellt hat. Außerdem benötigen sie persönliche und handschriftliche Unterstützungsunterschriften von 200 Wahlberechtigten für Kreiswahlvorschläge sowie weitere für die Aufstellung von Landeslisten. 

Mit ihren Anträgen hatten sich die beiden Parteien nun gegen den Bundestag gewandt, der es bislang unterlassen habe, die Regelung zu den Unterstützungsunterschriften wegen der Covid19-Pandemie auszusetzen oder zu ändern. Diese Anträge erwiesen sich jedoch laut BVerfG als unzulässig. Die Antragsteller hätten eine Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG) nicht hinreichend begründet. Die Anforderungen von § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG an eine Begründung seien nicht erfüllt.

Unterschriftenquoren wirken Stimmenzersplitterung entgegen

Den Karlsruher Richterinnen und Richtern zufolge müsse eine Rechtsverletzung durch gesetzgeberisches Unterlassen immer besonders begründet werden. Grundsätzlich bestehe nämlich keine Verpflichtung, Gesetze zu erlassen. Der Gesetzgeber habe diesbezüglich einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher müsse die Forderung nach dem Erlass einer konkreten Regelung substantiiert begründet werden. 

Dies hätten die Antragsteller nicht getan. Zwar bestätigte das BVerfG, dass Unterschriftenquoren sachlich gerechtfertigt sind und der Gefahr einer Stimmenzersplitterung entgegenwirken. Auch hätten die Antragstellerinnen hinreichend erläutert, dass die Covid19-Pandemie die tatsächlichen Rahmenbedingungen für das Sammeln der Unterstützungsunterschriften verändert und erheblich erschwert habe. Der Gesetzgeber ist dementsprechend laut BVerfG auch gehalten, die Voraussetzungen für eine Wahlteilnahme in der Pandemie zu überprüfen. Allerdings genügten die Darlegungen der Antragstellerinnen noch nicht den erforderlichen Begründungsanforderungen des BVerfGG für eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit der BWahlG-Regelungen auszusetzen.

BVerfG: "Mehr als ein Jahr Zeit gehabt, Unterschirften zu sammeln"

Dem BVerfG zufolge hätten die Antragstellerinnen außerdem nachvollziehbar begründen müssen, dass das Sammeln von Unterstützungsunterschriften durch die Pandemie praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Sie hätten jedoch nur von "'massiv erschwert, wenn nicht gar im Einzelfall unmöglich'" gesprochen. Im Übrigen hätten sie mehr als ein Jahr Zeit gehabt, die Unterschriften zu sammeln. 

Ebenso reiche ihre Begründung nicht für eine Verpflichtung zur Absenkung der Unterschriftenzahlen aus. Durchschnittlich habe ein Wahlkreis 206.000 Wahlberechtigte. Die ständige Rechtsprechung des BVerfG verlange Unterschriftenquoren von bis zu 0,25 Prozent der Wahlberechtigten. Mit den Quoren, die der Gesetzgeber in das BWahlG eingeführt hat, bleibe er damit weit unter der verfassungsrechtlich geforderten Grenze. Dasselbe gelte für die Unterschriftenquoren für die Landeslisten. 

pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zur Absenkung von Unterschriftenquoren nach BWahlG: Kleine Parteien müssen trotz Corona Unterschriften sammeln . In: Legal Tribune Online, 27.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44818/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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