Verletzt es den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, wenn bei Tempokontrollen gar keine Rohmessdaten gespeichert werden, die einen Bußgeldbescheid angreifbar machen könnten? Zu dieser Frage musste sich das BVerfG verhalten.
Wer geblitzt wurde, hat zwar ein Recht darauf, die entsprechenden Rohmessdaten des jeweiligen Geschwindigkeitsmessers einzusehen. Er hat aber keinen Anspruch darauf, dass die Behörden auch nur solche Geräte nutzen, die diese Daten speichern. Dies geht aus drei am Freitag veröffentlichten Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hervor (Beschl v. 20.06.2023, Az. 2 BvR 1167/20 u.a.).
Das Gericht in Karlsruhe nahm drei Verfassungsbeschwerden wegen fehlender Rohmessdaten bei Geschwindigkeitskontrollen nicht zur Entscheidung an. Die Betroffenen hatten mit fehlender prozessualer Waffengleichheit und einem deswegen unfairen Verfahren argumentiert. Sie hätten aber nicht ausreichend dargelegt, warum sie dadurch in ihren Grundrechten verletzt worden sein sollten, so das BVerfG, das sie deshalb als unzulässig erachtet hat: "Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt."
Trotzdem nutzte das Gericht die Gelegenheit, klarzustellen, dass die Polizei nicht zwangsläufig immer Blitzer nutzen muss, die auch die sogenannten Rohmessdaten speichern. Diese Rohmessdaten nutzen Anwälte für ihre Mandanten in Streitigkeiten über Bußgeldverfahren gern, um die entsprechenden Bescheide anzugreifen.
Das BVerfG entschied nun in diesen Fällen: Die Schlussfolgerung, dass wegen des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit Behörden nur Geräte einsetzen dürfen, die auch die Rohmessdaten erheben, sei nicht gut begründet worden. "Der Beschwerdeführer legt insofern nicht substantiiert dar, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren auch eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen."
Im November 2020 hatte das BVerfG entschieden, dass geblitzte Autofahrer die Rohdaten der Messgeräte einsehen dürfen, um bei einer Geschwindigkeitskontrolle mögliche Fehler finden zu können. Ansonsten sei das Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Der Autoclub ADAC sprach damals von "mehr Fairness bei Bußgeldverfahren". Die Möglichkeit, auf Rohdaten zuzugreifen, könne im Zweifel auch die Akzeptanz von Bußgeldbescheiden erhöhen, so der Autoclub.
dpa/cp/LTO-Redaktion
BVerfG zu Verfassungsbeschwerden nach Tempokontrolle: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52251 (abgerufen am: 03.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag