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BVerfG zur Wahl des Bundestagspräsidiums: Kein Anspruch auf Vize­prä­si­denten-Posten für die AfD

22.03.2022

Hinweisschild auf die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag

Die AfD besetzt seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 als einzige Fraktion keinen Posten im Bundestagspräsidium. Ein Recht auf einen Kanditaten habe sie nicht - nur darauf, diesen zur Wahl zu stellen. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Seit Jahren verhindert die Mehrheit der Abgeordneten, dass ein AfD-Vertreter in das Präsidium des Bundestags einzieht. Ein losgelöstes Recht auf den Sitz habe die Fraktion aber nicht, so das BVerfG. Der Kandidat müsse schon gewählt werden.

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Die AfD-Fraktion hat keinen uneingeschränkten Anspruch auf einen Vizepräsidenten-Posten im Bundestag. Das Recht zur gleichberechtigten Berücksichtigung stehe unter dem Vorbehalt der Wahl des Kandidaten durch die anderen Abgeordneten, teilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Dienstag mit (Beschl. v. 22.03.2022, Az. 2 BvE 9/20).

Die Entscheidung kam überraschend. Offiziell angekündigt war für den Vormittag nur die Urteilsverkündung in einem zweiten Verfahren zum Thema. Hier ging es um die Organklage eines einzelnen AfD-Abgeordneten, neben der Fraktion einen weiteren Kandidaten für die Präsidiumswahl vorzuschlagen – auch er blieb erfolglos. Unmittelbar im Anschluss veröffentlichte das Gericht dann unangekündigt den zentralen Beschluss zum Antrag der Fraktion im Organstreitverfahren. Dieser erging schriftlich ohne vorherige Verhandlung und wurde deshalb nicht verlesen.

Noch kein AfD-Vertreter im Bundestagspräsidium

Seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 hatte die AfD als einzige Fraktion noch nie einen Stellvertreter-Posten im Präsidium inne. Die anderen Parteien hatten sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten durchfallen lassen, indem sie ihnen die erforderliche Mehrheit verweigerten. Denn viele Abgeordnete wollen die Rechtspopulisten prinzipiell nicht im Leitungsgremium des Bundestags vertreten sehen.

Auch nach der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres blieb die AfD bei den Wahlen zum neuen Präsidium außen vor. Ihr Bewerber Michael Kaufmann verfehlte die erforderliche Stimmenzahl in zwei Wahlgängen im Oktober und Dezember deutlich. Die Fraktionsspitze kritisierte das als "fatales Signal für die demokratische Kultur in unserem Land", der AfD werde ihr Platz "systematisch vorenthalten".

In § 2 Abs. 1 S. 2 der Geschäftsordnung des Bundestags (GO-BT) ist geregelt, dass jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin stellt. Gleichzeitig steht in § 2 Abs. 2 S. 1 GO-BT, dass gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Die AfD war der Ansicht, dass das Wahlverfahren so ausgestaltet sein müsste, dass jede Fraktion auch ihren Posten einnehmen kann und prozeduralen Vorkehrungen gegen die Nichtberücksichtigung geschaffen werden müssten.

Kein losgelöstes Besetzungsrecht

Das sieht das BVerfG anders: "Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Deutschen Bundestages, die (...) Wahl des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter und Stellvertreterinnen mit prozeduralen Vorkehrungen zu versehen, um ein Wahlergebnis zugunsten der Antragstellerin zu fördern, besteht nicht", teilte der Zweite Senat zu seiner Entscheidung mit.

Dabei kann die Fraktion ihre Rechte als Zusammenschluss von Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) ableiten. Dazu gehört es, an der parlamentarischen Willensbildung und damit auch bei der Besetzung des Bundestagspräsidiums mitzuwirken.

Allerdings werde dieses Mitwirkungsrecht durch die in Art. 40 Abs. 1 S. 1 GG angeordnete Wahl zum Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter begrenzt, schreibt das BVerfG in seinem Beschluss. Das Grundgesetz sehe ausdrücklich eine Wahl "und gerade kein von einer Wahl losgelöstes Besetzungsrecht der Fraktionen" vor. Nur so könne der "legitimatorische Mehrwert" erreicht werden. Könnte eine Fraktion - etwa mittels der von der AfD begehrten "prozeduralen Vorkehrungen" oder gar durch ein Besetzungsrecht - einen Vizepräsidenten durchsetzen, wäre die Wahl ihres Sinns entleert.

"Unter dem Vorbehalt der Wahl"

Damit stehe der Mitwirkungsanspruch einer Fraktion bei der Besetzung des Präsidiums "unter dem Vorbehalt der Wahl", so der Zweite Senat. Er sei darauf beschränkt, einen Kandidaten vorzuschlagen und dass die Wahl ordnungsgemäß durchgeführt werde.

Wie das Wahlverfahren inhaltlich zu erfolgen hat, sieht auch § 2 Abs. 1 S. 2 GO-BT nicht vor. Das Grundmandat sei deshalb nicht als unbedingter, von der Wahl losgelöster Anspruch jeder Fraktion auf Stellung eines Vizepräsidenten ausgestaltet, sondern als Recht, einen Abgeordneten zur Wahl zu stellen.  

Die AfD-Fraktion kritisierte die Entscheidung als "nicht nachvollziehbar und unverständlich". "Das war heute alles andere als eine Sternstunde für die Demokratie und das Bundesverfassungsgericht. Ein schlechter Tag für Deutschland", teilte der Parlamentarische Geschäftsführer und Fraktionsjustiziar Stephan Brandner mit.

Die Unionsfraktion begrüßte, dass die AfD "dem Bundestag ihre Kandidaten nicht aufzwingen" könne. "Einmal mehr wurde der Opfermythos der AfD in Karlsruhe widerlegt", sagte deren Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. Für den Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, könne einen Vizepräsidenten nur stellen, wer mehrheitsfähige Kandidaten habe. Das gelte für alle Fraktionen gleichermaßen, auch für die AfD.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

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BVerfG zur Wahl des Bundestagspräsidiums: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47906 (abgerufen am: 19.05.2025 )

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