Ein Tabakwarenhersteller sieht sich in seiner Existenz bedroht, die neuen Tabakgesetze verbieten ganze Produktlinien. Das Gesetz kommt trotzdem, entschied das BVerfG, jedenfalls erst mal. Die Übergangsbestimmungen will es aber nochmal prüfen.
Die Schockbilder kommen, die Mentholzigaretten gehen - jedenfalls fürs Erste. Ein Tabakwaren-Hersteller ist mit einem Eilantrag gegen die seit Freitag verschärften Regeln für Tabakprodukte gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lehnte seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab (Beschl. v. 18.05.2016, Az. 1 BvR 895/16). Mit dem neuen Gesetz, das mit Wirkung ab dem heutigen Freitag unter anderem abschreckende Fotos auf Zigarettenpackungen zur Pflicht macht, setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie um. Die hatte Anfang Mai schon der EuGH bestätigt.
Die Schockbilder und Warnhinweise auf den Schachteln sind nur eine von vielen neuen Auflagen und Einschränkungen. Unter anderem sollen Menthol-Produkte ab 20. Mai 2020 komplett verboten sein, Aromen, die den Tabakgeschmack überdecken, sollen vom Markt verschwinden.
Unter anderem dagegen richtet sich die Klage, hinter der ein Familienunternehmen mit rund
140 Mitarbeitern steht - wer genau, wurde nicht bekannt. Das Unternehmen hat sich auf aromatisierte Tabakmischungen spezialisiert, die nach dem Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) nun nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Mit diesen Feinschnitttabaken mache das mittelständische Unternehmen rund 61 Prozent seines Umsatzes. Anders als bei den großen Tabakkonzernen habe der aromatisierte Tabak zum Selbstdrehen für das Unternehmen eine große wirtschaftliche Bedeutung.
Folgenabwägung: Nachteile reichen nicht für einstweilige Anordnung
Der Vollzug des Gesetzes wird aber nicht ausgesetzt, entschied die zweite Kammer des Ersten Senats. Dass zahlreiche Einzelmarken und ganze Produktlinien des Unternehmens verboten werden, sieht das BVerfG ebenso wenig als hinreichend schwerwiegend an wie den von dem Unternehmen angeführten kurzen Übergangszeitraum zwischen Verkündung und Inkrafttreten, der eine rechtzeitige Umstellung der Produktion und der Betriebsaufläufe unmöglich mache.
Diese mit der Umsetzung der Regelungen verbundenen Nachteile des Unternehmens, die es zudem zu pauschal vorgetragen habe, um den äußerst strengen Maßstäben des einstweiligen Anordnungsverfahrens zu genügen, seien nicht hinreichend schwerwiegend, um das Gesetz einstweilen zu stoppen, so das BVerfG. Das höchste deutsche Gericht wird nur in wenigen Ausnahmefällen im vorläufigen Rechtsschutz tätig, um zu vermeiden, dass die Hauptsache vorweggenommen wird. Auch die Erfolgsaussichten des Tabakunternehmers in der Hauptsache beurteilt es als offen und nimmt daher eine Folgenabwägung vor, die zu Lasten des Familienbetriebs ausgeht.
Die gesetzlichen Neuregelungen bezweckten primär eine Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes zum Abbau von Markthemmnissen und dienten damit einem wichtigen Ziel der Europäischen Union, so die Karlsruher Richter. Zudem sei Ziel der Regelung die Förderung des Gesundheitsschutzes und damit ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel mit Verfassungsrang.
Zwar würde, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweilige Anordnung Erfolg hätte, die Verwirklichung dieser Ziele zeitlich zunächst nur aufgeschoben. Schon eine solche Verzögerung würde aber die Wirksamkeit der Neuregelung über die im Gesetz selbst enthaltenen Übergangsregelungen hinaus weiter einschränken. Ob diese in Anbetracht des weitgehend übergangslosen Inkrafttretens in Deutschland unzureichend seien, will das BVerfG im Rahmen der Verfassungsbeschwerde prüfen. Zu deren Rechtmäßigkeit hatte der EuGH, auf dessen grundsätzliche Bewertung der umstrittenen Regelungen die Karlsruher Richter verweisen, in seiner Entscheidung Anfang Mai nichts gesagt.
pl/acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG lehnt Eilantrag gegen neue Tabakgesetze ab: . In: Legal Tribune Online, 20.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19428 (abgerufen am: 10.10.2024 )
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