BVerfG zur Pressefreiheit: "Der Spiegel" mit Ver­fas­sungs­be­schwerde erfolg­reich

07.06.2018

Auch bei rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung ist ein Nachrichtenmagazin verpflichtet, einen Nachtrag abzudrucken, sofern das Verfahren eingestellt wurde. Dieser muss aber nur in knapper Form erfolgen, so das BVerfG.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Recht gegeben, es muss keinen vorformulierten Nachtrag zu einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung abdrucken, wie das Gericht mit Beschluss vom 2. Mai 2018 (Az. 1 BvR 666/17) heute bekanntgab.

"Der Spiegel" berichtete 2008 über eine Bank, die wegen riskanter Kreditgeschäfte in den Strudel der Finanzkrise geraten war. In dem Artikel schilderte das Magazin mögliche Verwicklungen eines früheren hochrangigen Mitarbeiters in Abhöraktionen. Die Ermittlungen gegen den Mann wurden jedoch später mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt.

Der Mitarbeiter klagte auf Richtigstellung und forderte den Verlag auf, eine von ihm formulierte Erklärung abzudrucken, die mit dem Satz "Diesen Verdacht halten wir aus heutiger Sicht nicht mehr aufrecht" enden sollte. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (OLG) gab ihm Recht und verurteilte den "Spiegel" zum Abdruck des Nachtrags. 

Durch das Urteil sah sich der Verlag in seiner Pressefreiheit verletzt. Zu Recht, wie die Karlsruher Richter nun befanden. Denn der von dem Mitarbeiter formulierte Nachtrag gehe zu weit. Zwar bestünde auch bei einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung ein Recht auf einen abgedruckten Nachtrag, sofern der Betroffene nachweist, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Aber nicht in solchem Umfang.

BVerfG: Keine Pflicht abgeschlossene rechtmäßige Berichterstattung neu zu bewerten

Denn anders als bei einer rechtswidrigen Verdachtsberichterstattung, bei der ein Anspruch auf Abdruck einer umfassende Richtigstellung besteht, handelte es sich im vorliegenden Fall um eine rechtmäßige Verdachtsberichterstattung. Diese sei, so das BVerfG, grundsätzlich von der Pressefreiheit gedeckt und verpflichte Presseunternehmen nicht dazu, im Nachgang zu erforschen, ob sich ein Verdacht bewahrheitet oder nicht. Deshalb sei ein Presseunternehmen auch nicht verpflichtet, eine abgeschlossene Berichterstattung neu zu bewerten. Genau das habe der Mitarbeiter aber verlangt, so die Richter in Karlsruhe.

Auch bezüglich Inhalt, Form und Umfang des abzudruckenden Nachtrages sei zu berücksichtigen, dass die ursprüngliche Berichterstattung rechtmäßig war. Eine kurze Zusammenfassung der angegriffenen Berichterstattung und ein Hinweis darauf, dass das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, wären ausreichend gewesen, um das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters zu wahren.

Indem das OLG zuungunsten des Spiegels entschied, missachtete es daher die Pressefreiheit des Verlages. Das BVerfG hat daher das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

tik/LTO-Redaktion/mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

BVerfG zur Pressefreiheit: "Der Spiegel" mit Verfassungsbeschwerde erfolgreich . In: Legal Tribune Online, 07.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29013/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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