"Frecher Juden-Funktionär": BVerfG hält Ver­ur­tei­lung wegen Volks­ver­het­zung für ver­fas­sungs­gemäß

10.07.2020

Die Verurteilung des Bundesvorsitzenden der rechtsextremen Kleinstpartei "Die Rechte" wegen Volksverhetzung ist verfassungsgemäß. Er hatte den Vorsitzenden einer jüdischen Gemeinde unter anderem als "frechen Juden-Funktionär" bezeichnet.

Die Äußerungen des Bundesvorsitzenden der rechtsextremen Kleinstpartei "Die Rechte", Sascha Krolzig, über den Vorsitzenden einer Jüdischen Gemeinde waren volksverhetzend. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Verfassungsbeschwerde gegen seine Verurteilung nach § 130 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) nicht zur Entscheidung an. Sie begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschl. v. 07.07.2020, Az. 1 BvR 479/20).

Krolzig hatte auf der von ihm zu verantwortenden Internetseite der Partei einen Artikel veröffentlicht, in dem er den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Herford/Detmold, Matitjahu Kellig, unter anderem als "frechen Juden-Funktionär" bezeichnete.

Hintergrund war ein Interview Kelligs im WDR. Er hatte dort kritisiert, dass ein Verleger aus Ostwestfalen, in dessen Druckhaus auch das Amtsblatt der Stadt Preußisch Oldendorf hergestellt wird, auch rechtsextreme Schriften verbreite. Laut Kellig leitet der Verleger auch die "Deutsche Verlagsgesellschaft", in dem unter anderem Bücher über "vorbildliche und bewährte Männer der Waffen-SS" veröffentlicht wurden. Kellig hatte die Stadt aufgefordert, die Zusammenarbeit mit dem Verleger einzustellen.

"Die Rechte" solidarisierte sich daraufhin mit dem Verleger und warf Kellig "ein gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit" vor. In dem Artikel auf der Internetseite der Partei, der mittlerweile nicht mehr abrufbar ist, wurde Kellig als "frecher Juden-Funktionär" bezeichnet. Am Ende des Artikels mit der Überschrift "Staatsfunk, Linke und Jüdische Gemeinde hetzen gegen Verleger" hieß es, die Partei werde "den Einfluss jüdischer Lobbyorganisationen auf die deutsche Politik in allerkürzester Zeit auf genau Null reduzieren." Das Amtsgericht (AG) Bielefeld verurteilte Krolzig dafür wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung später.

Die Äußerung zählt, nicht die Einstellung

Vor dem BVerfG blieb Krolzig nun ebenfalls ohne Erfolg. Die Verurteilung begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, hieß es in einer Mitteilung des Karlsruher Gerichts. Je nach Einzelfall - und insbesondere wenn die sich äußernde Person auf eine Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung zielt oder sich in der Äußerung mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziert - könne darin eine menschenverachtende Art der hetzerischen Stigmatisierung von Juden und damit auch eine Aufforderung an andere liegen, sie zu diskriminieren und zu schikanieren, so das BVerfG. "Maßgeblich bleibt allerdings die Äußerung selbst und ihr unmittelbarer Kontext, nicht die innere Haltung oder die parteiliche Programmatik, die möglicherweise den Hintergrund einer Äußerung bilden", betonten die Verfassungsrichter.

Die Gerichte haben sich bei ihren Entscheidungen laut BVerfG damit auch richtigerweise nicht auf die allgemeine ideologische Ausrichtung Krolzigs und seiner Partei, sondern auf die Äußerung selbst gestützt. Insbesondere die Verwendung szene- und propagandatypischer verwendeter Termini ("frecher Jude"), die positive Hervorhebung der "Männer der Waffen-SS" und der unmittelbar an die Äußerung angeschlossenen Boykottaufruf gegen die jüdische Gemeinde hätten das Ziel, zum Hass gegen Juden anzustacheln.

Die Stoßrichtung der Äußerungen werde auch dadurch "klar kenntlich", dass sie in den Vorwurf eines angeblich besonders ausgeprägten Einflusses jüdischer Organisationen auf die Politik in Deutschland eingebettet werden. Ersichtlich werde dabei das Festhalten am Topos einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung. Schließlich, so das BVerfG, knüpfe die Ankündigung, den Einfluss jüdischer Organisationen auf die deutsche Politik "in allerkürzester Zeit auf genau Null reduzieren" zu wollen, in ihrer Militanz an nationalsozialistische Vernichtungsrhetorik an.

"Spezifisch gegen die jüdische Bevölkerung gerichtet begründet eine solche verbale Anlehnung aufgrund der historischen Erfahrung und Realität eines solchen Vernichtungsunterfangens einen konkret drohenden Charakter", befand das Gericht. Dies trage die Gefahr in sich, die politische Auseinandersetzung ins Feindselige und Unfriedliche umkippen zu lassen. "Eben dagegen schützt der Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB", schließen die Verfassungsrichter.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

"Frecher Juden-Funktionär": BVerfG hält Verurteilung wegen Volksverhetzung für verfassungsgemäß . In: Legal Tribune Online, 10.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42165/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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