Lebt eine Person unter 25 Jahren mit ihren Eltern in einer häuslichen Gemeinschaft, kann das Einkommen der Eltern auf die Grundsicherung des Kindes angerechnet werden. Dies stellte das BVerfG in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil fest.
Nach der am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27. Juli (Az. 1 BvR 371/11) ist die Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 des zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) verfassungsgemäß, wonach Einkommen und Vermögen der Eltern auf den Grundsicherungsanspruch des Kindes angerechnet werden, sofern diese zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Der Erste Senat wies damit die Verfassungsbeschwerde eines Leistungsempfängers zurück, der sich gegen die Norm und ein vorangegangenes Urteil des Bundessozialgerichts wandte. Er rügte eine Verletzung seines grundgesetzlichen Anspruchs auf Existenzsicherung aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der im fraglichen Zeitraum noch nicht 25-jährige Beschwerdeführer lebte mit seinem Vater zusammen, der eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezog. Diese wurde gemäß der Regelung des SGB II auf die Grundsicherung des arbeitslosen Sohnes angerechnet.
Die Norm erlaubt eine solche Anrechnung für den Fall, dass ein Kind unter 25 Jahren in einer Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern lebt. Laut der Entscheidung des BVerfG kommt darin die Wertung zum Ausdruck, dass in einer solchen Gemeinschaft typischerweise "in einen Topf" gewirtschaftet werde. Das Gericht sieht es als zulässige Ausübung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums an, in einem solchen Fall von einem geringeren Bedarf zur Sicherung der eigenen Existenz auszugehen. Insbesondere stellte es dabei auf die enge "verwandschaftliche Bindung in der Kernfamilie" ab, welche einen solchen Rückschluss erlaube. Dies gelte allerdings nicht, sofern sich die Eltern weigerten, für ihre Kinder einzustehen und diese auch keinen Unterhaltsanspruch hätten. Bei einer Weigerung bestehe schon keine Bedarfsgemeinschaft.
Die Altersgrenze von 25 Jahren begegnete auch keinen Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Absatz 1 GG. Die Ungleichbehandlung sei zur Verfolgung eines legitimen Zwecks hinzunehmen, so der Senat. Der Gesetzgeber habe vor allem verhindern wollen, dass Kinder, die mit ihren Eltern zusammenlebten, nach Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildeten.
mam/LTO-Redaktion
BVerfG erklärt Einkommensanrechnung für verfassungsgemäß: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20500 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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