Ob Haftbedingungen menschenunwürdig sind oder nicht, über diese Frage soll laut BVerfG im Hauptsacheverfahren entschieden werden. Denn ungeklärte Rechtsfragen dürften nicht einfach in das Prozesskostenverfahren vorgelagert werden.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat über die Wahrung der Rechtsschutzgleichheit im Zusammenhang mit dem Prozesskostenhilfeverfahren entschieden. Zwei Männer hatten sich gegen die Haftbedingungen in Bayern gewehrt. Beide hatten vor dem Landgericht München erfolglos eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Untersuchungshaft erhoben, die sie unter anderem auf eine Unterbringung in zu kleinen Hafträumen mit einem Mithäftling und auf mangelhafte sanitäre Ausstattung stützten.
Das Oberlandesgericht (OLG) München wies in beiden Fällen den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung zurück, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe. Die Grenze zur menschenunwürdigen Behandlung sei durch die Bedingungen der Haftunterbringung nicht überschritten gewesen. Die Flächen der Hafträume seien jeweils ausreichend bemessen. Ausgehend insbesondere von der Größe der Hafträume und ihrer Ausstattung könne eine menschenunwürdige Unterbringung nicht angenommen werden.
Das BVerfG gab den Verfassungsbeschwerden der beiden Männer teilweise statt, wie am Mittwoch bekannt wurde. Die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe verletze die Rechtsschutzgleichheit (Beschl. v. 17.02.2020 Az. 1 BvR 3182/15 1 und BvR 1624/16). Das OLG habe nicht beachtet, dass die Frage der Menschenwürdigkeit der Unterbringung ungeklärt sei.
BVerfG: Es fehlt an Leitentscheidungen
Zwar hielt das BVerfG fest, dass es grundsätzlich zulässig sei, die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von den Erfolgsaussichten des Verfahrens abhängig zu machen. Diese Prüfung dürfe aber nicht dazu führen, dass die Rechtsverfolgung in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werde.
Insbesondere müssten bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen im Hauptsacheverfahren und nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden. Sei eine Frage noch nicht höchstrichterlich geklärt, so dürfe die Prozesskostenhilfe nicht auf Grund fehlender Erfolgsaussichten vorenthalten werden.
Konkret hatten die Männer gerügt, dass sie in zu kleinen Hafträumen mit einem Mithäftling untergebracht worden seien und die sanitäre Ausstattung mangelhaft gewesen sei. Das OLG hatte hierin keine Überschreitung der Grenze zur menschenunwürdigen Behandlung gesehen.
Hierzu fehle es jedoch an Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs, die die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen bestimmen würden, so die Verfassungsrichter. Daher haben die Männer ein Recht darauf, die Frage gegebenenfalls auch einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.
Würde ihnen hierzu die Prozesskostenhilfe verweigert, so würden finanzschwächere Kläger im Vergleich zu finanzstarken Klägern schlechter gestellt, denn die Klärung einer Rechtsfrage stehe noch aus. Das laufe dem Gebot der Rechtschutzgleichheit zuwider.
vbr/LTO-Redaktion
BVerfG zu Prozesskostenhilfe: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41790 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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