Die Bildzeitung muss eine Überschrift über eine "Pfändung" von Boris Becker nicht korrigieren. Rechtsbegriffe seien nur beschränkt gegendarstellungsfähig. Es kommt auf das Verständnis des durchschnittlichen Bildzeitungslesers an, so das BVerfG.
Boris Becker muss mit der Schlagzeile der Bildzeitung leben, dass er das Haus seiner Mutter verpfändet habe. Einen Gegendarstellungsanspruch habe ihm das Kammergericht (KG) Berlin zu Unrecht zugesprochen, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Rechtsbegriffe seien nämlich nur eingeschränkt gegendarstellungsfähig (Beschl. v. 20.11.2018, Az. 1 BvR 2716/17).
Die Bild hatte in einer ihrer Ausgaben ein Interview mit einem Geschäftspartner von Boris Becker mit der Schlagzeile angekündigt: "Bild EXKLUSIV Millionen-Gläubiger packt aus – Becker verpfändet auch das Haus seiner Mutter". Aus dem Interview ging hervor, dass der Tennisspieler unter anderem ein Hausgrundstück, auf dem seine Mutter wohnte, auf eine Sicherheitenliste eintragen ließ. Die Liste verschaffte seinem Darlehensgläubiger einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eintragung eines Grundpfandrechts an den gelisteten Grundstücken. Ein Pfandrecht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet sie aber nicht.
Die ordentliche Gerichtsbarkeit verpflichtete den Verlag auf Antrag des ehemaligen Profisportlers, eine Gegendarstellung abzudrucken: "Hierzu stelle ich fest: Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet". Letztinstanzlich bestätigte das Kammergericht (KG) Berlin die einstweilige Verfügung. Die Berliner Richter gingen davon aus, dass die Äußerung eine dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation und damit gegendarstellungsfähig sei. Für einen durchschnittlichen Bürger sei der Begriff "verpfänden" nicht gleichbedeutend mit der Formulierung "als Sicherheit stellen". Daraufhin erhob der Axel Springer Verlag Verfassungsbeschwerde.
Rechtsbegriffe sind nur eingeschränkt gegendarstellungsfähig
Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt. Die Entscheidung des KG Berlin habe den Verlag in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt, weil die Berliner Richter bei der Titelschlagzeile zu Unrecht von einer gegendarstellungsfähigen Tatsachenbehauptung ausgegangen seien.
Eine Titelschlagzeile sei zwar als solche isoliert gegendarstellungsfähig, führt das BVerfG aus. Biete die Schlagzeile aber Interpretationsspielraum, müsse zumindest die maßgebliche Tatsachenbehauptung eindeutig bestimmbar sein, weil ansonsten nicht klar werde, gegen welche Äußerung sich die betroffene Person zur Wehr setzten möchte.
Bei der Schlagzeile der Bildzeitung sei nicht auszuschließen, dass der Begriff "Verpfändung" von einem durchschnittlichen Zeitungsleser auch als Beschreibung einer schuldrechtlichen Sicherungsbestellung verstanden werden könne, entschieden die Karlsruher Richter. In einem solchen Fall dürften die Fachgerichte nicht auf ihr eigenes juristisches Begriffsverständnis zurückgreifen, sondern müssten das Verständnis eines Laien zugrunde legen.
Darüber hinaus beanstandete der erste Senat auch die zugesprochene Gegendarstellung als interpretationsbedürftig sowie als bloße Negation der Titelschlagzeile. Ein Gegendarstellungsanspruch müsse nämlich der tatsächlichen Gegendarstellung dienen, nicht bloß der Gegenbehauptung.
mgö/LTO-Redaktion
Hat Boris Becker "das Haus seiner Mutter verpfändet"?: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32821 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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