BVerfG zu Beitrag über Hinrichtungsopfer: Kritik an DDR-Wider­stands­kämpfer war rech­tens

20.02.2018

Ein Mann wurde verurteilt, weil er auf einer Website einen in der DDR hingerichteten Mann als Terroristen und Banditen bezeichnete. Das BVerfG hob das Strafurteil nun auf, die Aussagen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Einmal mehr hatte sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit einer seiner Königsdisziplinen zu befassen: der Auslegung der Meinungsfreiheit. Konkret ging es in dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss vom 24. Januar um den Betreiber einer Website, auf der vermeintliche Fehler in der Aufarbeitung von DDR-Unrecht kritisiert werden sollten. Dabei wurde u. a. die Rehabilitierung eines in der DDR hingerichteten Mannes angeprangert. Das stand dem Macher der Seite zu, befanden die Karlsruher Richter (Beschl. v. 24.01.2018, Az. 1 BvR 2465/13).

In einem 2005 erschienenen Beitrag auf seiner Seite ging es um den Fall des DDR-Widerstandskämpfers Johann Burianek, der 1952 vom Obersten Gericht der DDR zum Tode verurteilt und am 2. August 1952 hingerichtet worden war. Dieses Urteil hob das Landgericht Berlin im September 2005 wegen Rechtsstaatswidrigkeit auf, der zu Unrecht verurteilte Mann wurde somit rehabilitiert. In dem Urteil war ihm u. a. vorgeworfen worden, illegal "Hetzschriften" vertrieben, im Dienst der KgU ("Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit") Werksspionage betrieben sowie ein erfolgloses Attentat mit einem Brandsatz verübt und einen Sprengstoffanschlag auf eine Eisenbahnbrücke geplant zu haben.

Der Beitrag auf der Website bezeichnete die Aufhebung des Urteils als "Legalisierung des Terrors gegen die DDR durch Rehabilitierung des KgU-Banditen B." durch die Bundesrepublik Deutschland. Den Getöteten nannte er einen Anführer einer terroristischen Vereinigung. Das LG befand, der Autor des Beitrags habe Burianek damit auf einen bloßen Straftäter reduziert, ohne sich mit seinen Beweggründen auseinanderzusetzen. Es sei Ziel seiner Äußerung gewesen, Burianek einen "Makel" zu verpassen.

Kritik am Umgang mit DDR-Vergangenheit

Sowohl das Amts- als auch das Landgericht (LG) Berlin (Urt. v. 18.03.2013, Az. (574) 231 Js 2310/11 Ns (145/12)) sahen damit den Straftatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt, wofür sie den Autor zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30  Euro verurteilten. Das bestätigte auch das Berliner Kammergericht (Beschl. v. 18.07.2013, Az. (3) 121 Ss 122/13 (95/13)).

Auf seine Verfassungsbeschwerde hin stellte das BVerfG eine Grundrechtsverletzung fest und hob das Strafurteil auf. Die Entscheidungen der Instanzgerichte verletzten die Meinungsfreiheit des Mannes, argumentiert die 3. Kammer des Ersten Senats in ihrem Beschluss. Es sei dem Autoren des Beitrags gerade nicht vorrangig darum gegangen, den hingerichteten Burianek zu verunglimpfen. Er habe vielmehr Kritik an der Bundesrepublik üben wollen, deren Umgang mit der DDR-Vergangenheit er für einseitig halte.

Als Kern seiner Behauptungen identifizierte das BVerfG, die DDR habe ein legitimes Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung Burianeks gehabt, weshalb dieser nicht nachträglich rehabilitiert werden dürfe. Ob diese Sichtweise irgendwie berechtigt sei, spiele für den Schutz der Meinungsfreiheit keine Rolle, so die Kammer.

Buraniek nicht mehr als Privatperson relevant

Zwar erkannten auch die Verfassungsrichter an, dass das Todesurteil gegen den Widerstandskämpfer "wie das Landgericht zu Recht darlegt, grob rechtsstaatswidrig und unangemessen hart war". Der Autor sei aber weder verpflichtet, die Rehabilitierung zu befürworten noch zu berücksichtigen, dass die Taten einen Beitrag zum Widerstand gegen die DDR-Diktatur darstellten.

Das Interesse des Autoren, seine politische Meinung kund zu tun, überwiege auch den Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts Burianeks: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ziele "auf den Schutz eines fortwirkenden Geltungsanspruchs der Person, nicht aber auf eine ausgewogene politische Bewertung historischer Handlungen als solcher", befand das BVerfG. Burianek sei von dem Webseiten-Beitrag zudem vordergründig als historische Person betroffen. Die Fachgerichte hätten nicht erklärt, warum das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen eine genaue Auseinandersetzung mit seinen Motiven erfordere.

Hinzu kam in den Augen der Richter auch, dass die Erinnerung an die Privatperson Johann Burianek bereits verblasst sei. Dass er noch "als individualisierte Person" im Gedächtnis der Öffentlichkeit oder von Angehörigen und Freunden präsent sei und daraus noch einen besonders gewichtigen Geltungsanspruch ableiten könne, ergebe sich aus den Urteilen nicht.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zu Beitrag über Hinrichtungsopfer: Kritik an DDR-Widerstandskämpfer war rechtens . In: Legal Tribune Online, 20.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27109/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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