Wer wird behandelt, wer fällt bei Engpässen in der medizinischen Versorgung einer Triage zum Opfer? Das sollte eine Neufassung des Infektionsschutzgesetzes regeln. Am Dienstag verkündet das BVerfG, ob die Regelung Bestand hat.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe wird am 4. November seine Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde gegen das Infektionsschutzgesetz (IfSG) des Bundes veröffentlichen. Das Verfahren hatten im Dezember 2023 insgesamt 14 Intensiv- und Notfallmediziner angestrengt, der Ärzteverband Marburger Bund unterstützt es.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unter anderem gegen die im Gesetz enthaltene sogenannte Triage-Regel im Fall von Engpässen bei der Versorgung schwer kranker Patientinnen und Patienten. Triage bedeutet, dass Ärzte und Ärztinnen bei zu wenigen Betten oder Beatmungsgeräten etwa in einer Pandemie eine Reihenfolge festlegen, wer zuerst behandelt wird. Durch die Regelung würden Medizinern Grenzentscheidungen aufgezwungen, die ihrem beruflichen Selbstverständnis an sich widersprechen und sie in eklatante Gewissensnöte bringen, hatte es damals geheißen (Az. 1 BvR 2284/23, Az. 1 BvR 2285/23).
Zudem richten sich die Mediziner gegen das Verbot der sogenannten Ex-Post-Triage, wonach eine einmal getroffene Entscheidung zur Behandlung eines Patienten nicht zurückgenommen werden darf, falls zu einem späteren Zeitpunkt ein Patient eingeliefert wird, der eine bessere Überlebenschance hat. Hierin sieht der Marburger Bund einen Konflikt mit dem Berufsethos: Den Ärzten werde die Möglichkeit genommen, in einer Notsituation die größtmögliche Zahl an Menschen zu retten.
Ex-Post-Triage aus Gesetzentwurf gestrichen
Das damalige Bundeskabinett hatte Ende 2022 den Gesetzentwurf zur Regelung der Triage beschlossen und damit eine Vorgabe des BVerfG umgesetzt. Dieses hatte zuvor noch mitten in der Pandemie entschieden, dass der Gesetzgeber tätig werden müsse, um Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung im Fall begrenzter medizinischer Kapazitäten zu schützen (Beschl. v. 16.12.2021, Az. 1 BvR 1541/20). Neun Menschen hatten sich gegen die Untätigkeit des Gesetzgebers zu dieser Frage gewandt. Sie hatten befürchtet, aufgrund ihrer Behinderung oder Vorerkrankung schlechter behandelt oder gar von einer lebensrettenden Behandlung ausgeschlossen zu werden. Den entsprechenden Eilantrag hatte das BVerfG im August 2020 auch deshalb abgelehnt, weil es eine Triage-Situation zum damaligen Zeitpunkt als nicht wahrscheinlich einstufte. Im Hauptsacheverfahren bekamen die Beschwerdeführer recht. Da es bis dahin gar keine Vorkehrungen des Gesetzgebers gab, verpflichtete das BVerfG den Gesetzgeber, tätig zu werden und ein Gesetz zu verabschieden.
Der daraufhin eingeführte § 5c IfSG regelt nun, dass im Fall von aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandenen Behandlungskapazitäten niemand wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung benachteiligt werden darf. Der Entwurf stellt also zunächst klar, was in einer Triage-Situation kein Kriterium sein darf.
Für die Praxis ist jedoch bedeutsamer, wonach stattdessen entschieden werden soll. Deshalb regelt die Norm zudem ein Verfahren für die Zuteilung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten, Kriterien für die Zuteilungsentscheidung sowie Dokumentations- und Mitteilungspflichten. Gegen diese Regelungen richtet sich die Verfassungsbeschwerde der Medizinerinnen und Mediziner. Eine Zuteilungsentscheidung darf nach § 5c Abs. 2 IfSG nur aufgrund der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten getroffen werden.
Zunächst war in dem Gesetzentwurf auch eine Regelung zur Ex-Post-Triage enthalten, diese wurde nach viel Kritik aber aus dem Gesetzentwurf gestrichen.
tap/LTO-Redaktion mit Material von dpa
BVerfG entscheidet zum Triage-Gesetz: . In: Legal Tribune Online, 03.11.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58520 (abgerufen am: 07.11.2025 )
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