Das geplante G20-Protestcamp muss unter versammlungsrechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt werden, sagt das BVerfG in einer einstweiligen Anordnung. Ob und wo das Camp nun aufgebaut werden kann, ist offen.
Es soll eine riesige Zeltstadt werden. Rund 3.000 Zelte, die etwa 10.000 Personen beherbergen sollen, will der Veranstalter der großen Protestaktion auf der großen Festwiese des Hamburger Stadtparks aufstellen. Gegenstand des Protests ist das am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg stattfindende Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20-Gipfel).
Vom 30. Juni bis 9. Juli soll das Camp im Stadtpark stehen und den aus aller Welt erwarteten Demonstranten gegen den G20-Gipfel Unterkunft bieten. Die Botschaften an die mächtigsten Staatsoberhäupter der Welt könnten vielfältiger und unterschiedlicher kaum sein: Ob Asyl, Umwelt- und Tierschutz, soziale Gerechtigkeit oder Armut, zahlreiche Interessengruppen wollen hier ihre Botschaft verkünden.
Die Stadt Hamburg untersagte die Veranstaltung mit dem Namen "Antikapitalistisches Camp – Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen" aber und verwies schlicht auf ein grünanlagenrechtliches Verbot, auf öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen zu zelten. Eine versammlungsrechtliche Würdigung unterließ man dabei. Nach dem Instanzenzug in der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat der Veranstalter vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun einen Teilsieg errungen (Beschl. v. 28.06.2017, Az. 1 BvR 1387/17).
BVerfG: Ausgang von Hauptsacheverfahren unsicher
Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg entschied zu seinen Gunsten, der Aufbau des Protestcamps sei bis zur Bekanntgabe eines versammlungsrechtlichen Bescheides zu dulden (19 E 5697/17).
Auf die Beschwerde der Stadt zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg beschloss dieses aber, dass es sich nicht um eine grundrechtlich geschützte Versammlung handele. Bei einer Gesamtschau des Konzepts des Protestcamps bestehe ein Übergewicht der nicht auf die Meinungskundgabe gerichteten Elemente der Veranstaltung (4 Bs 125/17).
Schließlich diene das Camp nicht bloß als Ort der Meinungskundgabe, vielmehr soll dort auch geschlafen und gegessen werden -Zelten ist keine Meinungskundgabe, meinten die obersten Hamburger Verwaltungsrichter. Dieser Umstand macht die Sache problematisch.
2/2: "Schwierige und verfassungsrechtlich ungeklärte Fragen"
Die Verfassungsrichter entschieden, dass das Camp vorsorglich den Regeln des Versammlungsrechts unterstellt werden muss. Grund ist eine Folgenabwägung möglicher Verfahrensausgänge. Der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens ist aus ihrer Sicht unsicher.
Die Verfassungsbeschwerde werfe "schwierige und in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ungeklärte Fragen auf, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilt werden können". Es sei schon unklar, ob oder wieweit das Protestcamp überhaupt als Versammlung von Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt sei.
Vor diesem Hintergrund wollte man auf der einen Seite nicht die mögliche Ausübung des grundrechtlich geschützten Demonstrationsrechts verhindern und damit das "Versammlungsrecht bei einem besonders herausragenden politischen Großereignis" nachhaltig entwerten. Ebenso wenig wollen die Karlsruher Richter aber Gefahren für die Öffentlichkeit - Unbenutzbarkeit des Parks für die Dauer des Camps sowie mögliche Schäden - wegen einer evtl. nicht grundrechtlich geschützten Veranstaltung hinnehmen.
Ausgang weiter ungewiss
Das Protestcamp sei demnach vorsorglich den Regeln des Versammlungsrechts zu unterstellen, wobei der Stadtverwaltung aber ein "angemessener Entscheidungsspielraum" zuzugestehen sei. Sie müsse in der Lage sein, den Umfang des Camps "so zu begrenzen und mit Auflagen zu versehen, dass eine nachhaltige Beeinträchtigung des Stadtparks durch langfristige Schäden hinreichend ausgeschlossen ist". Hierbei sei, wenn möglich, auf eine Kooperation mit dem Veranstalter zu setzen.
Im Zweifel könne die Stadt ihm für den Aufbau des Camps auch einen anderen Ort zuweisen, der dem verfolgten Zweck in ähnlichem Maße diene. Auch seien die Behörden berechtigt, die Errichtung von Zelten und Einrichtungen zu untersagen, die allein der Beherbergung von Personen dienen sollen, welche an einer der zahlreichen anderen Versammlungen teilnehmen wollten.
Ob das Camp in Anbetracht möglicher Gefahren, die sonst von ihm ausgehen könnten, überhaupt erlaubt oder noch weiter beschränkt werden muss, soll nun wieder die Stadt Hamburg entscheiden.
mam/LTO-Redaktion
Maximilian Amos, BVerfG gibt Eilantrag teilweise statt: Teilsieg für G20-Demonstranten . In: Legal Tribune Online, 28.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23314/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag