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Verstoß gegen prozessuale Waffengleichheit: BVerfG rüf­felt nun auch das LG Berlin

16.03.2022

Das BVerfG

Das BVerfG weist erneut daraufhin, dass seine Rechtsprechung bindend ist. Foto: U.J. Alexander - stock.adobe.com

Einstweilige Anordnung ohne vorherige Anhörung beider Verfahrensbeteiligten? Das geht nicht, hat das BVerfG bereits mehrfach festgestellt. Doch wieder hat ein Fachgericht das ignoriert - und nun dafür einen Rüffel bekommen.

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Vor Erlass einer einstweiligen Verfügung müssen beide Parteien angehört werden – und nicht nur die, die die Verfügung beantragt hat. Ansonsten liegt ein Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit vor, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - und das nicht zum ersten Mal (Beschl. v. 11.01.2022, Az. 1 BvR 123/21).

Das BVerfG sieht einen "wiederholten Verstoß" der Fachgerichte gegen das Gebot der Waffengleichheit bei einstweiligen Anordnungen und weist auf die rechtliche Bindungswirkung seiner Entscheidungen hin. Bereits im Jahr 2018 entschied es in Fällen, die am Oberlandesgericht (OLG) Hamburg und dem Landgericht (LG) Köln anhängig waren, dass ein Gericht vor dem Erlass einstweiliger Verfügungen beiden Parteien die Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss.

Erst kürzlich musste das BVerfG dazu erneut zu einem Fall aus Hamburg entscheiden – und Ungehorsam des dortigen OLG feststellen. Letzteres hatte nämlich trotz der Entscheidung aus 2018 erneut eine einstweilige Anordnung ohne Anhörung erlassen.

"Offenkundige" Verletzung des Anspruchs auf prozessuale Waffengleichheit

Auch das LG Berlin missachtete die Rechtsprechung des BVerfG nun, wie das BVerfG nun entschieden hat.

In dem Berliner Fall ging es um die Wort- und Bildberichterstattung eines Presseverlags über eine Feierlichkeit während der Corona-Pandemie im September 2020. Auf mehreren Fotos war die prominente Antragstellerin samt Lebensgefährtem zu sehen, die den Verlag abmahnte und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung forderte. Der Presseverlag kam der Aufforderung jedoch nicht nach und die Frau stellte beim LG  Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Das LG erteilte daraufhin nur der Frau einen gerichtlichen Hinweis und gewährte auch nur ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach einem erneuten Hinweis nur an sie nahm die Frau dann den Antrag zum Teil zurück. Im Anschluss erließ das LG "wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung" die einsweilige Verfügung, die dem Verlag die Wort- und Bildberichterstattung in Teilen untersagte.

Der Verlag sah darin unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf prozessuale Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), was das BVerfG nun bestätigte. Das LG habe keine Gleichwertigkeit der Verfahrensbeteiligten gewährleistet, indem es die einstweilige Verfügung ohne jegliche Einbeziehung des Verlags erlassen hat. Das Berliner Gericht habe sich im Rahmen seiner schriftlichen Hinweise allein gegenüber der prominenten Antragstellerin zu seiner vorläufigen Rechtsauffassung geäußert.

Der Verlag erfuhr dagegen erst nach Erlass der sie belastenden einstweiligen Verfügung, dass ein Verfahren überhaupt anhängig war und dass das Gericht Hinweise erteilt hatte. Damit liege eine "offenkundige" Verletzung des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit vor, so die Karlsruher Richterinnen und Richter.

pdi/LTO-Redaktion

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Verstoß gegen prozessuale Waffengleichheit: . In: Legal Tribune Online, 16.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47843 (abgerufen am: 18.05.2025 )

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