Die Coronakrise birgt die Gefahr eines Generationenkonflikts: Die Älteren wünschen sich möglichst viel Schutz, die Jüngeren wollen ihre Freiheit zurück. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Bund und Länder dürfen in der Coronakrise die Freiheiten junger und gesunder Menschen beschränken, um anderen mit größeren Risiken mehr Teilhabe zu ermöglichen. Umgekehrt sind sie aber nicht verpflichtet, zum Schutz der Risikogruppen auf jegliche Lockerungen zu verzichten. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Klagen eines jüngeren und eines älteren Mannes entschieden (Beschl. v. 12.05.2020 und 13.05.2020, Az. 1 BvR 1027/20 und 1 BvR 1021/20).
Der eine Kläger, der demnächst 65 Jahre alt wird, hatte Bund und Länder im Eilverfahren verpflichten wollen, sämtliche Lockerungen zurückzunehmen. Der jüngere Mann war der Auffassung, dass die Corona-Maßnahmen in Bayern für alle unter 60 generell unverhältnismäßig seien. Die Richter haben beide Verfassungsbeschwerden als unzulässig abgewiesen.
Der demnächst 65-Jährige, für dessen Beschwerde die dritte Kammer zuständig ist, rechnet sich aufgrund seines Alters der Risikogruppe zu. Er hatte geltend gemacht, dass die Lockerungen verfrüht seien, und sich dabei auf wissenschaftliche Studien berufen. Die Lockerungen bedrohten sein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und müssten daher ausgesetzt werden.
Die Verfassungsrichter haben seine Verfassungsbeschwerde allerdings für nicht hinreichend substantiiert gehalten. Sie haben insbesondere beanstandet, dass der Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Staates nicht berücksichtigt worden sei. Dieser stehe dem Staat zu, um grundrechtliche Schutzpflichten zu erfüllen. Diese Schutzpflichten verletzte der Staat nicht, wenn er soziale Kontakte wieder bedingt zulasse. Auch die prognostischen Szenarien, die vom älteren der beiden Kläger angeführt wurden, würden daran nichts ändern.
Junge dürfen in ihren Freiheiten eingeschränkt werden
Hinsichtlich der Beschwerde des Jüngeren hat die zuständige erste Kammer festgestellt, dass die Einschränkungen seiner Freiheit auch dem Schutz Dritter dienen, die stärker gefährdet seien. Der junge Mann hatte angeführt, dass das Coronavirus für seine Generation nicht schlimmer als eine Grippe sei.
Die Verfassungsrichter haben jedoch festgehalten, dass zum Schutz der Risikogruppe auch jungen und gesunden Bürgern Opfer abverlangt werden dürfen.
Zum Schutz der Risikogruppe sei der Staat aus dem Grundgesetzt berechtig und verpflichtet. Das Grundgesetzt beschränke den Staat auch nicht dahingehenden, dass nur die Menschen in ihrer Freiheit begrenzt werden dürften, deren Gesundheit und Leben gefährdet sei. Die Grundrechte ließen dem Staat hier einen Spielraum, Regelungen zu treffen, die es auch der Risikogruppe ermögliche, an der Gesellschaft teilzuhaben. Dieser Spielraum für den Ausgleich der widerstreitenden Grundrechte könne zwar mit der Zeit geringer werden; diesem Aspekt werde durch die Verordnung in Bayern aber genügend Rechnung getragen, denn die Freiheitsbeschränkungen seien befristet und stetig gelockert worden.
vbr/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG zu Corona-Maßnahmen: . In: Legal Tribune Online, 14.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41623 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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