Ist die Unterbringung von Gefangenen in Bayern menschenunwürdig? Die Bayerische Justiz scheint sich ziemlich sicher zu sein und verneint die Frage. Dabei hat sie die Grundrechte von zwei Häftlingen verletzt, entschied nun das BVerfG.
Zwei Häftlinge bekommen im Streit um womöglich menschenunwürdige Unterbringung in bayerischen Gefängnissen nach Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine neue Chance. Die 2. Kammer des Ersten Senats hat nach Angaben vom Mittwoch zwei Verfassungsbeschwerden teilweise stattgegeben und die Fälle zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen (Beschl. v. 08.12.2020, Az. 1 BvR 117/16 und 1 BvR 149/16).
Die Betroffenen waren im Jahr 2012 in Augsburg und Aichach in Haft und rügen den Angaben zufolge eine menschenunwürdige Behandlung, weil sie jeweils mit einem weiteren Gefangenen in zu kleinen Hafträumen untergebracht gewesen seien. In den Räumen seien zudem die Toiletten baulich nicht abgetrennt und keine Abluftvorrichtung vorhanden gewesen. Dagegen wollten die Männer vorgehen und beantragten für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Prozesskostenhilfe.
In einem Fall hatte ein Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach unter anderem ausgeführt, dass seine doppelbelegte Zelle nur 7,41 Quadratmeter groß sei. Der Freistaat Bayern ging dagegen von 8,98 Quadratmetern aus. Außerdem rügte er eine im Haftraum integrierte Toilette ohne gesonderte Abluftvorrichtung. Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage wurde zunächst vom Landgericht (LG) Augsburg abgelehnt. Das Oberlandesgericht (OLG) München hob den Beschluss dann aber auf und bewilligte Prozesskostenhilfe mit einer Entschädigungssumme von 20 Euro pro Tag, insgesamt für einen Streitwert von 600 Euro. Diesen Betrag machte der Mann dann vor dem LG geltend.
Ungeklärte Rechtsfragen nicht in PKH-Verfahren klären
Das LG wies seine Klage jedoch ab. Das Urteil war den Angaben zufolge dabei nahezu wortlautidentisch mit dem zuvor vom OLG aufgehobenen Beschluss zur Prozesskostenhilfe. Einen Beweis zur strittigen Größe der Zelle erhob das LG nicht.
Sollte der kleinere Wert allerdings stimmen, stünden dem Mann damit anteilig weniger als 4 Quadratmeter zu - was nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Hinblick auf das Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung genaustens geprüft werden müsse. Unklar ist aus Sicht des BVerfG, warum das LG die angebotenen Beweise nicht berücksichtigt habe. Damit sei das Recht des Mannes auf rechtliches Gehör verletzt worden.
In dem anderen Fall hatten sowohl das LG Augsburg als auch das OLG München einem Mann ebenfalls Prozesskostenhilfe versagt. Damit hätten sie den Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt, hieß es in der Mitteilung des BVerfG. Zugrunde lag dabei die Frage, ob ein 23-stündiger Einschluss pro Tag in einen knapp 7,8 Quadratmetern großen Haftraum im Augsburger Gefängnis mit der Menschenwürdegarantie vereinbar sei. Das ist nach Angaben des Verfassungsgerichts gesetzlich nicht eindeutig geregelt und in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Daher müsse das in einem Hauptsacheverfahren entschieden werden. Die Gerichte hätten die Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfragen nicht ins Prozesskostenhilfeverlagern vorverlegen dürfen, so das BVerfG.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
BVerfG zur Unterbringung von Gefangenen: . In: Legal Tribune Online, 27.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44104 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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