Weil das Jobcenter zu langsam war, erhob eine Hartz-IV-Empfängerin Untätigkeitsklage. Absolut zu Recht, so das BVerfG, denn es gebe für Bürger keine Pflicht, Behörden gesondert auf Fristabläufe hinzuweisen.
Im Streit um die Kosten aufgrund einer Auseinandersetzung mit dem Jobcenter hat eine Hartz-IV-Empfängerin erfolgreich Verfassungsbeschwerde eingelegt. Diese sei "offensichtlich begründet", heißt es in einer nun veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 08.02.2023, Az. 1 BvR 311/22).
Die beschwerdeführende Frau hatte 2020 erfolgreich Widerspruch eingelegt, weil das Amt bei der Berechnung der Hartz-IV-Leistungen fälschlicherweise von einem zu hohen vorherigen Einkommen ausgegangen war. Laut Bescheid sollte sie die Kosten dafür auf Antrag erstattet bekommen. Als nach sechs Monaten immer noch nichts passiert war, erhob sie Untätigkeitsklage beim Sozialgericht (SG) Darmstadt. Der Rechtsstreit erledigte sich, weil das Jobcenter daraufhin doch noch aktiv wurde. Die Frau verlangte daraufhin auch für dieses Verfahren eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten.
Das SG hatte diese Kostenerstattung jedoch abgelehnt. Zur Begründung hieß es, die Frau sei ihrer "Obliegenheit zur Schadensminderung nicht nachgekommen". Sie hätte sich nach Auffassung des SG zuvor nämlich noch einmal an das Jobcenter wenden und nachfragen müssen, wie der Stand sei, anstatt außergerichtliche Kosten zu verursachen. So habe sie hingegen mutwillig gehandelt und keinen Anspruch auf die Ersattung der Kosten.
BVerfG: Bürger müssen Behörden nicht gesondert auf Fristablauf hinweisen
Diese Entscheidung des SG konnte das BVerfG nicht nachvollziehen. Das SG habe mit seiner Entscheidung gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen. Die Erwägungen des SG fänden nämlich keine Stütze im Gesetz und seien nicht nachvollziehbar hergeleitet. Eine allgemeine Pflicht, eine Behörde nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist auf die ausstehende Entscheidung aufmerksam zu machen, gebe es gerade nicht, so das BVerfG.
Es führte dazu genauer aus: "So wie sich Bürgerinnen und Bürger die Versäumung einer Frist regelmäßig strikt entgegenhalten lassen müssen, darf auch der Staat grundsätzlich nicht darauf vertrauen, von Bürgerinnen und Bürgern auf den Ablauf einer gesetzlichen Frist erneut hingewiesen zu werden und eine außergesetzliche Nachfrist zu erhalten". Eine Pflicht, vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage den Sachstand zu erfragen, bestehe auch nicht generell, sondern nur in besonderen Einzelfällen, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Gesetzgeber habe eine Wartefrist für die Klageerhebung geregelt. Wer sich danach richte, könne nicht mutwillig handeln.
cp/LTO-Redaktion
mit Material der dpa
BVerfG zur Kostenübernahme für Untätigkeitsklage: . In: Legal Tribune Online, 15.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51317 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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