Druckversion
Montag, 4.12.2023, 13:18 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bverfg-1-bvr-755-20-eilantrag-gegen-ausgangssperre-bayern-abgelehnt-corona-pandemie/
Fenster schließen
Artikel drucken
41262

BVerfG zum Eilverfahren: Bay­e­ri­­sche Aus­gangs­be­schrän­kung bleibt in Kraft

08.04.2020

Regensburg

© Tobias Arhelger - stock.adobe.com

Keine Freunde treffen, auf Besuch bei den Eltern verzichten, nicht demonstrieren: Die Verbote in der Corona-Krise greifen in viele Grundrechte ein. Das BVerfG setzt die Maßnahmen in Bayern in einem Eilverfahren trotzdem nicht außer Kraft.

Anzeige

Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in den letzten Tagen das ein oder andere Eilverfahren anlässlich der Corona-Pandemie erreicht. Erfolgreich waren die Antragssteller in keinem Fall, weil sie an formalen Hindernissen oder der Subsidiarität scheiterten. Nun haben die Verfassungsrichter einen Eilantrag gegen die bayerische Ausgangbeschränkung abgelehnt, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Der Antrag ist aber der erste, der diese Hürden in der Zulässigkeit genommen hat (Beschl. v. 07.04.2020, Az. 1 BvR 755/20).

Dem Antragsteller ging es zu weit, keine Freunde mehr zu treffen, seine Eltern nicht mehr zu besuchen oder nicht mehr demonstrieren zu können – und er wandte sich ohne zuvor andere Gerichte einzuschalten, direkt an das BVerfG.

Warum war also dieser Antrag gegen die Ausgangsbeschränkung in Bayern zulässig? Das BVerfG erachtete es als "offensichtlich aussichtslos" zunächst bei den Fachgerichten Rechtsschutz zu erlangen, weil diese bereits in anderen Verfahren den Erlass einstweiliger Anordnungen abgelehnt hätten. So kamen die Richter der 3. Kammer des Ersten Senats dazu, die Entscheidung auch inhaltlich zu begründen. 

BVerfG: Gefahren für Leib und Leben wiegen schwerer

Im Eilverfahren bedeutet das, dass sie eine Folgenabwägung vornehmen: Die Richter bewerten, welche Nachteile es für den Antragsteller hätte, wenn seine Verfassungsbeschwerde am Ende Erfolg haben sollte, die Maßnahmen bis dahin aber weiter gelten. Das stellen sie dem gegenüber, was bei einem Außerkraftsetzen drohen würde.

Das BVerfG lehnte den Antrag danach als unbegründet ab, weil die Gefahren für Leib und Leben schwerer wiegen als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Der Senat betonte zwar den erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Menschen, wenn der Kontakt zueinander eingeschränkt werde und die eigene Wohnung nur noch mit einem bestimmten Grund verlassen werden dürfte. 

Erginge die einstweilige Anordnung also nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt, heißt es in dem Beschluss.

Befristete Schutzmaßnahmen sind zumutbar

Allerdings würden sich in dem umgekehrten Fall, also ohne Ausgangsbeschränkung, voraussichtlich viele Menschen so verhalten, wie es durch die Regelung gerade verhindert werden solle, obwohl die Verhaltensbeschränkung mit der Verfassung vereinbar wären. Beispielhaft zählte die Richter des BVerfG auf, dass Einrichtungen wieder öffnen und Menschen wieder häufiger ihre Wohnung verließen und Kontakt suchen würden.

Damit würden aber auch die Gefahren aufleben, die durch die Maßnahmen eingedämmt werden sollten: viele Menschen, die sich mit dem Virus infizieren, überlastete Krankenhäuser und im schlimmsten Fall Krankenverläufe, die zum Tod führen könnten.

Deswegen sehen die Richter die Folgen der Schutzmaßnahmen zwar als schwerwiegend, aber nicht unzumutbar an. Sie seien für die Bürger vorübergehend hinzunehmen, um einen möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der Verfassung verpflichtet sei.

Für die Richter spielte bei ihrer Abwägung eine Rolle, dass die Regelungen befristet sind. Bei den Ausgangsbeschränkungen seien außerdem viele Ausnahmen vorgesehen, und bei der Ahndung von Verstößen werde dem Einzelfall Rechnung getragen. Über die Verfassungsbeschwerde werden die Richter zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. "Sie bedarf eingehenderer Prüfung", hieß es.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BVerfG zum Eilverfahren: Baye­ri­sche Ausgangsbeschränkung bleibt in Kraft . In: Legal Tribune Online, 08.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41262/ (abgerufen am: 04.12.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Staatsrecht und Staatsorganisationsrecht
    • Coronavirus
    • Gesundheit
  • Gerichte
    • Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
30.11.2023
Schulen

Verhüllungsverbot in Baden-Württemberg:

Masken an Schulen ver­boten

Nach dem Schulgesetz dürfen Schüler und Lehrer in Baden-Württemberg keine Masken tragen. Das Schulministerium rät zu einem pragmatischen Umgang, Juristen zu einer Aufhebung oder Änderung der Norm.

Artikel lesen
27.11.2023
Cannabis-Legalisierung

Ampel-Fraktionen einigen sich auf geändertes Cannabisgesetz:

Ent­kri­mi­na­li­sie­rung zum 1. April 2024

Kleinere Konsumverbotszonen, größere erlaubte Menge beim Eigenanbau, dafür aber auch Strafverschärfungen, wenn es um Minderjährige geht: Die Ampel hat sich auf diverse Änderungen des Cannabisgesetzes verständigt.

Artikel lesen
03.12.2023
Mord

Übersichten, Pläne, Aufzeichnungen:

Kar­to­grafie des Rechts

Die bekannten Stolpersteine, Stadtforschungsprojekte oder die neuen "Medieval Murder Maps": Recht und Unrecht füllen Karten. Letztere verraten eine ganze Menge über unsere Geschichte, sofern man sich die Zeit nimmt, sie zu studieren.

Artikel lesen
04.12.2023
Städtebau

OVG Rheinland-Pfalz weist Klage von DITIB ab:

Große Moschee darf nicht gebaut werden

Der DITIB will in Germersheim eine besonders große Moschee in einem Wohngebiet bauen. Zu groß meint das OVG Rheinland-Pfalz. Zweifel an der Gebietsverträglichkeit und unrealistische Prognosen im Bauantrag sind entscheidend.  

Artikel lesen
02.12.2023
Notare

Berufsziel Notar:

Wie Jura­stu­die­rende die Wei­chen stellen können

Wer mit dem Gedanken spielt, später im Notarberuf zu arbeiten, kann schon im Studium darauf hinarbeiten. Neben den klassischen Rechtsgebieten wie Erbrecht und Gesellschaftsrecht sollte man sich auch für wirtschaftliche Fragen interessieren.

Artikel lesen
04.12.2023
Presseschau

Die juristische Presseschau vom 2. bis 4. Dezember 2023:

Haus­halt 2024 und Schul­den­b­remse / Bran­chen­ver­band und RDG / Tod von Sandra Day O'Connor

Soll auch für den Haushalt 2024 die Schuldenbremse ausgesetzt werden? Branchenverbände dürfen Rechtsdienstleistungen für ihre Mitglieder erbringen. Ex-US-Supreme-Court-Richterin Sandra Day O'Connor ist gestorben.

Artikel lesen
TopJOBS
Re­fe­ren­dar*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Rechts­an­walt (m/w/d) - Bul­ga­ri­en

Rödl & Partner

Steu­er-/Wirt­schafts­prü­fung­sas­sis­tent*in­nen (m/w/d)

Geipel & Kollmannsberger Partnerschaft mbB , Mün­chen

Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz , Wies­ba­den

Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Se­k­re­tär / Se­k­re­tärin (m/w/d) in der Rechts­be­ra­tung

Becker Büttner Held , Ber­lin

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
RA-MICRO Basiswissen – der einfache Einstieg in RA-MICRO

04.12.2023

Mandantenakquise mit dem Deutschen Anwaltssuchdienst

04.12.2023

GvW DigiTalk: EU Data Act

05.12.2023

Essentials – Die moderne Anwaltskanzlei

05.12.2023

Das kleine 1×1 der künstlichen Intelligenz: Was Chat-GPT jetzt schon für mich tun kann!

05.12.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH