Keine Freunde treffen, auf Besuch bei den Eltern verzichten, nicht demonstrieren: Die Verbote in der Corona-Krise greifen in viele Grundrechte ein. Das BVerfG setzt die Maßnahmen in Bayern in einem Eilverfahren trotzdem nicht außer Kraft.
Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in den letzten Tagen das ein oder andere Eilverfahren anlässlich der Corona-Pandemie erreicht. Erfolgreich waren die Antragssteller in keinem Fall, weil sie an formalen Hindernissen oder der Subsidiarität scheiterten. Nun haben die Verfassungsrichter einen Eilantrag gegen die bayerische Ausgangbeschränkung abgelehnt, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Der Antrag ist aber der erste, der diese Hürden in der Zulässigkeit genommen hat (Beschl. v. 07.04.2020, Az. 1 BvR 755/20).
Dem Antragsteller ging es zu weit, keine Freunde mehr zu treffen, seine Eltern nicht mehr zu besuchen oder nicht mehr demonstrieren zu können – und er wandte sich ohne zuvor andere Gerichte einzuschalten, direkt an das BVerfG.
Warum war also dieser Antrag gegen die Ausgangsbeschränkung in Bayern zulässig? Das BVerfG erachtete es als "offensichtlich aussichtslos" zunächst bei den Fachgerichten Rechtsschutz zu erlangen, weil diese bereits in anderen Verfahren den Erlass einstweiliger Anordnungen abgelehnt hätten. So kamen die Richter der 3. Kammer des Ersten Senats dazu, die Entscheidung auch inhaltlich zu begründen.
BVerfG: Gefahren für Leib und Leben wiegen schwerer
Im Eilverfahren bedeutet das, dass sie eine Folgenabwägung vornehmen: Die Richter bewerten, welche Nachteile es für den Antragsteller hätte, wenn seine Verfassungsbeschwerde am Ende Erfolg haben sollte, die Maßnahmen bis dahin aber weiter gelten. Das stellen sie dem gegenüber, was bei einem Außerkraftsetzen drohen würde.
Das BVerfG lehnte den Antrag danach als unbegründet ab, weil die Gefahren für Leib und Leben schwerer wiegen als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Der Senat betonte zwar den erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Menschen, wenn der Kontakt zueinander eingeschränkt werde und die eigene Wohnung nur noch mit einem bestimmten Grund verlassen werden dürfte.
Erginge die einstweilige Anordnung also nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt, heißt es in dem Beschluss.
Befristete Schutzmaßnahmen sind zumutbar
Allerdings würden sich in dem umgekehrten Fall, also ohne Ausgangsbeschränkung, voraussichtlich viele Menschen so verhalten, wie es durch die Regelung gerade verhindert werden solle, obwohl die Verhaltensbeschränkung mit der Verfassung vereinbar wären. Beispielhaft zählte die Richter des BVerfG auf, dass Einrichtungen wieder öffnen und Menschen wieder häufiger ihre Wohnung verließen und Kontakt suchen würden.
Damit würden aber auch die Gefahren aufleben, die durch die Maßnahmen eingedämmt werden sollten: viele Menschen, die sich mit dem Virus infizieren, überlastete Krankenhäuser und im schlimmsten Fall Krankenverläufe, die zum Tod führen könnten.
Deswegen sehen die Richter die Folgen der Schutzmaßnahmen zwar als schwerwiegend, aber nicht unzumutbar an. Sie seien für die Bürger vorübergehend hinzunehmen, um einen möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der Verfassung verpflichtet sei.
Für die Richter spielte bei ihrer Abwägung eine Rolle, dass die Regelungen befristet sind. Bei den Ausgangsbeschränkungen seien außerdem viele Ausnahmen vorgesehen, und bei der Ahndung von Verstößen werde dem Einzelfall Rechnung getragen. Über die Verfassungsbeschwerde werden die Richter zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. "Sie bedarf eingehenderer Prüfung", hieß es.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG zum Eilverfahren: . In: Legal Tribune Online, 08.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41262 (abgerufen am: 08.12.2024 )
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