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Weitere "Klimaklagen" beim BVerfG erfolglos: Län­der können nicht zu Kli­ma­schutz verpf­lichtet werden

01.02.2022

Fridays for Future Demo

Die Landesregierungen können nicht dazu verpflichtet werden, Landesklimaschutzgesetze zu verabschieden. Foto: Animaflora PicsStock - stock.adobe.com

Nach der erfolgreichen "Klimaklage" gegen die Bundesregierung sind junge Menschen mit dem Versuch gescheitert, auch die Landesregierungen vor dem BVerfG zu mehr Klimaschutz zu verpflichten. Diesen sei aber kein CO2-Budget vorgegeben.

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Die inzwischen elf Klimaklagen auf Landesebene haben beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) keine Aussicht auf Erfolg. Die Karlsruher Richterinnen und Richter nahmen die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unterstützten Verfassungsbeschwerden junger Menschen alle nicht zur Entscheidung an, wie das Gericht am Dienstag mitteilte (Beschl. v. 18.01.2022, Az. 1 BvR 1565/21 u.a.).

Eingereicht hatten die Klagen junge Beschwerdeführende, darunter Klima-Aktivist:innen von Fridays for Future, Studierende und Schüler:innen aus Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die elfte Verfassungsbeschwerde, die sich ebenfalls auf das NRW-Gesetz bezog, war von einer Einzelperson in Eigenregie eingereicht worden.

Die Deutsche Umwelthilfe unterstützte dabei, da sie als Verband nicht als Einzelklägerin vor dem BVerfG auftreten kann. Die Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen die Landesregierungen. Sie sollten dazu bewegt werden, Landesklimaschutzgesetze zu verabschieden, die dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Grundgesetz entsprechen. Im Pariser Klimaschutzabkommen haben sich Deutschland und zahlreiche andere Staaten das Ziel gesetzt, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten, möglichst aber auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Daraus lassen sich bestimmte Mengen an Treibhausgasen ableiten, die noch ausgestoßen werden dürfen. 

"Klimaschutz ist nicht nur Bundes-, sondern auch Landessache. Nicht nur die Bundesregierung ist verpflichtet, das Klima mit verbindlicher Gesetzgebung und umfassenden Maßnahmen zu schützen, sondern auch die Landesregierungen", sagte DUH-Anwalt Remo Klinger, der die Verfahren juristisch leitet. In den Ländern sehe es beim Klimaschutz noch schlechter aus als auf Bundesebene. Keine der Landesregierungen habe bislang ein Landesklimaschutzgesetz verabschiedet.

Ländern ist kein CO2-Budget vorgegeben

Die Beschwerdeführenden beriefen sich unter anderem auf den aufsehenerregenden Beschluss aus Karlsruhe im Frühjahr 2021. Das BVerfG hatte damals erstmals entschieden, dass die Grundrechte jüngere Generationen auch davor schützen, durch zu zögerliche Klimaschutz-Maßnahmen in der Zukunft unverhältnismäßig belastet zu werden. Die Richterinnen und Richter leiteten dies aus dem Klimaschutzgebot des Art. 20a Grundgesetz (GG) sowie den grundrechtlichen Schutzpflichten gegen die Klimafolgen aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG ab.

Das BVerfG verlangt dafür aber eine "eingriffsähnliche Vorwirkung". Für zwingende, zukunftsbezogene Freiheitsbeschränkungen müsste der Gesetzgeber einem begrenzten Budget an CO2-Emissionen unterliegen. Beschwerdeführende könnten sich dann gegen solche Regelungen wenden, die eine Gesamtmenge an zugelassenen CO2-Emissionen in näherer Zukunft festlegen. Ein punktuelles Tun oder Unterlassen kann vom Staat hingegen nicht gefordert werden.

Die 1. Kammer des Ersten Senats konnte allerdings nicht feststellen, dass die Landesregelungen bereits derzeit wie ein grundrechtlicher Eingriff vorwirken. Den einzelnen Landesgesetzgebern sei weder nach dem Grundgesetz noch nach dem einfachen Bundesrecht vorgegeben, dass sie ihre CO2-Emissionen auf einen bestimmten Wert reduzieren müssten, welcher dann wenigstens grob überprüfbar wäre.

Update: DUH plant zweite Klimaklage gegen die Bundesregierung

Die Schutzpflichten aus dem Leib- und Lebensschutz sowie der Eigentumsgarantie sahen die Richterinnen und Richter darüber hinaus nicht als verletzt an, weil es eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene gebe. Es sei nicht ersichtlich, dass das Fehlen einer Landesklimaschutzgesetzes hieran etwas ändern könnte, heißt es in dem Beschluss.

Die DUH begrüßte die "klarstellenden Hinweise". Das Gericht betone, dass die Klimaschutzziele des Bundes ohne Durchführungsmaßnahmen und eigene Gesetzgebung in den Ländern gar nicht zu erreichen wären. Die DUH forderte die Bundesregierung auf, "schnellstmöglich transparent festzulegen, welche Beiträge die Länder für die Einhaltung des Pariser Abkommens zu leisten haben".

Erst in der vergangenen Woche hatte die DUH eine neue Verfassungsbeschwerde junger Klägerinnen und Kläger vorgestellt, die auf eine weitere Verschärfung der deutschen Klimaschutzpolitik abzielt. Die Nachbesserungen am Bundesgesetz seien nicht ausreichend. Deshalb sollen jetzt konkrete Maßnahmen wie Tempolimits, eine wirksame Sanierung öffentlicher Gebäude und der stärkere Schutz von kohlenstoffspeichernden Ökosystemen eingeklagt werden.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

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Weitere "Klimaklagen" beim BVerfG erfolglos: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47386 (abgerufen am: 15.06.2025 )

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