Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte die AfD als "staatszersetzend" bezeichnet. Das gehört zwar zum politischen Meinungskampf, so das BVerfG, aber nicht auf die Homepage des Ministeriums.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) durfte sich zwar kritisch zur AfD äußern – das Interview hätte aber nicht auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht werden dürfen. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Dienstag entschieden (Urt. v. 09.06.2020, Az: 2BvE 1/19).
Seehofer hatte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im September 2018 ein Interview gegeben. Auf die AfD angesprochen, sagte er: "Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten. Das haben Sie am Dienstag im Bundestag miterleben können mit dem Frontalangriff auf den Bundespräsidenten. Das ist für unseren Staat hochgefährlich. Das muss man scharf verurteilen. Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend."
Hintergrund der Äußerung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte auf Facebook ein Konzert gegen Rechts in Chemnitz unterstützt. Die AfD-Fraktion kritisierte Steinmeier dafür und verlangte im Bundestag eine Extradebattenzeit über den Etat des Präsidialamts, was die anderen Fraktionen ablehnten. Das dpa-Interview mit Seehofer, in dem er die AfD dafür verurteilte, veröffentlichte das Bundesinnenministerium (BMI) – neben vielen anderen Interviews – auf seiner Internetseite.
Diese Äußerungen waren zwar zulässig, so die Karlsruher Richter. Doch durch die Veröffentlichung des Interviews auf der Homepage des BMI wurde die AfD in ihrem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz verletzt. Andreas Voßkuhle betonte als Vorsitzender des Zweiten Senats bei der Urteilsverkündung, die Chancengleichheit sei immer dann verletzt, "wenn Inhaber eines Regierungsamtes die Autorität des Amtes und die mit ihnen verbunden Mittel und Möglichkeiten in spezifischer Weise nutzen, um zielgerichtet zugunsten oder zulasten einer politischen Partei am Meinungskampf mitzuwirken".
aka/LTO-Redaktion
Annelie Kaufmann, BVerfG zu Äußerungen von Regierungsmitgliedern: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41840 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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