Nach jahrelanger Debatte hat der Bundestag Homosexuellen in Deutschland den Weg zur Ehe geebnet. Der von Rot-Rot-Grün eingebrachte Gesetzentwurf der Länder erhält eine klare Zustimmung. Ein Teil der Union will womöglich vors BVerfG ziehen.
In einer historischen Entscheidung hat der Bundestag Ja zur Ehe für alle gesagt. Bei 623 abgegebenen Stimmen sprach sich eine Mehrheit von 393 Abgeordneten am Freitag für eine völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare aus. 226 Parlamentarier stimmten mit Nein, vier enthielten sich.
SPD, Grüne und Linke hatten die Abstimmung gegen den Willen von CDU/CSU durchgesetzt. Aber auch mindestens 70 Unionsabgeordnete - fast jeder Vierte - votierten am Ende für den Gesetzentwurf aus dem rot-grün dominierten Bundesrat zur Öffnung der Ehe.
Bislang dürfen Homosexuelle eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten. Obwohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Ehe und Lebenspartnerschaft weitgehend gleichgestellt hat, bestehen bisher immer noch Unterschiede, etwa bei der gemeinsamen Adoption.
Merkel stimmt mit Nein
Vor der Debatte hatte eine Mehrheit der Abgeordneten gegen den erklärten Willen der Unionsfraktion dafür votiert, die Tagesordnung entsprechend zu erweitern. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) forderte anschließend von den Abgeordneten "wechselseitigen Respekt, den beide Positionen zweifellos verdienen".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Thema der völligen rechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare zum Wochenanfang in die politische Debatte gebracht und sich für eine Abstimmung ohne Fraktionszwang - als "Gewissensentscheidung" - ausgesprochen. Daraufhin hatte sich die SPD für eine Abstimmung noch in dieser Woche und vor der Bundestagswahl stark gemacht. CDU und CSU nannten dies einen Vertrauensbruch des sozialdemokratischen Koalitionspartners, der mit der Opposition stimmen wollte. Grüne und Linke unterstützen die Ehe für alle schon lange.
Die Bundestagsfraktion der Grünen wollte die Abstimmung über die Ehe für alle sogar mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erzwingen. Sie wollten den Rechtsausschuss per einstweiliger Anordnung verpflichten, die Gesetzentwürfe der Grünen, der Linken und des Bundesrats auf die Tagesordnung zu nehmen und über diese zeitnah Beschluss zu fassen. Experten rechneten dem Unterfangen der Grünen gute Erfolgschancen aus.
Merkel selbst hat dabei gegen die Öffnung der Ehe für Homosexuelle gestimmt. "Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau", sagte Merkel nach der Abstimmung am Freitag im Reichstagsgebäude. Sie selbst sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein sollte. Doch der grundgesetzliche Schutz nach Artikel 6 beinhalte für sie die Ehe für Mann und Frau.
Teil der Union zieht womöglich vor das BVerfG
Das Nein zur Ehe für Homosexuelle galt als letzte konservative Bastion der Union. Unter Merkel als Parteivorsitzende hat die CDU schon mehrere Positionen geräumt, für die es in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr gab, so etwa im Falle der Wehrpflicht.
Unions-Abgeordnete prüfen derweil eine Klage vor dem BVerfG. Die Ehe für alle sei grundgesetzwidrig und bedürfe einer Verfassungsänderung, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, der Passauer Neuen Presse (Freitag). "Das Bundesverfassungsgericht knüpft die Ehe an zwei Bedingungen", sagte der CSU-Politiker: "Sie ist eine dauerhafte Verantwortungsgemeinschaft. Und sie ist darauf ausgerichtet, Kinder hervorzubringen. Das geht nur mit Mann und Frau."
Justizminister Heiko Maas hält eine Grundgesetzänderung hingegen für unnötig. "Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der Ehe für alle verfassungsrechtlich zulässt", sagte der SPD-Politiker der Bild. "Die Zeit ist längst mehr als reif für diesen Fortschritt."
dpa/acr/LTO-Redaktion
Mit 393 zu 230 Stimmen: . In: Legal Tribune Online, 30.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23330 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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