AfD und Linke haben im neuen Bundestag zusammen mehr als ein Drittel der Sitze erreicht. Damit haben sie künftig eine Sperrminorität und könnten einige wichtige Vorhaben blockieren. Der aktuelle Bundestag schlägt schnelles Handeln vor.
Weil das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht in den Bundestag kommt und die FDP aus dem Bundestag verschwindet, entsteht eine ungewöhnliche politische Konstellation im Parlament. AfD und Linke verfügen damit addiert über 216 der 630 Sitze (§ 1 Abs. 1 S. 1 Bundeswahlgesetz) und damit über knapp mehr als ein Drittel.
Die beiden Parteien an den politischen Rändern verfügen damit gemeinsam über eine sogenannte Sperrminorität. Sie könnten also die Gesetze blockieren, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, und damit einige wichtige Vorhaben, um die es in der nächsten Legislatur gehen wird.
Dazu zählen Änderungen des Grundgesetzes (GG), wie sie etwa für eine Reform der dort verankerten Schuldenbremse (Art. 115 GG) nötig wären. Auch die Einigung auf ein Sondervermögen für das Verteidigungsbudget müsste mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Ebenso benötigen neue Bundesverfassungsrichter eine solch qualifizierte Zustimmung.
Reform der Schuldenbremse
Für eine Reform Schuldenbremse sprechen sich die Grünen und die SPD aus. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte im ARD-Morgenmagazin am Montag vorgeschlagen, dass noch der bestehende Bundestag eine Reform der Schuldenbremse beschließen könnte. "Wir haben keine Zweidrittelmehrheit mehr im neuen Deutschen Bundestag, um die Verfassung zu ändern, damit wir mehr für Bildung, mehr für Infrastruktur, mehr für Verteidigung tun können. Wir könnten aber noch in diesem Monat mit dem bestehenden Bundestag uns zusammensetzen, also mit den Grünen, mit CDU/CSU, mit der SPD", sagte Özdemir.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat eine Reform der Schuldenbremse nicht grundsätzlich ausgeschlossen, einigen Medienberichten vom Montagnachmittag zufolge sogar Bereitschaft signalisiert, mit Rot und Grün über eine kurzfristige Reform zu sprechen. Unionsfraktionsmanager Thorsten Frei allerdings lehnt eine schnelle Reform noch durch den bestehenden Bundestag ab. "Ich bin nicht der Auffassung, dass es notwendig ist, die Schuldenbremse zu reformieren. Diese Auffassung haben wir immer vertreten, und das bleibt auch heute bestehen", sagte der CDU-Politiker bei seinem Eintreffen zu Beratungen der CDU-Spitzengremien in Berlin nach der Bundestagswahl.
Sondervermögen für die Verteidigung
Auch ein Sondervermögen für die Verteidigung (Art. 87a GG) - ebenso wie grundsätzlich die Feststellung des Verteidigungsfalls selbst (Art. 115a GG) - erfordert die Zweidrittelmehrheit und könnte damit im neuen Bundestag von Linken und AfD verhindert werden. Die Linke hat sich zwar nicht klar dagegen ausgesprochen, mehr Kredite aufzunehmen. Dabei hat sie jedoch Ausgaben für Infrastruktur und Bildung im Sinn gehabt. Dass sie also zustimmen wird, wenn es um ein Sondervermögen für die Verteidigung geht, gilt als unwahrscheinlich, auch wenn sie sich unverändert gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausspricht.
"Die Linke trifft ihre Entscheidungen eigenverantwortlich auf Grundlage ihrer Wertvorstellungen und des klaren Wahlauftrags ihrer Wählerinnen und Wähler. Im Gegensatz zur AfD steht die Linke für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und einen starken Sozialstaat. Einer weiteren Zerschlagung sozialer Sicherungssysteme, wie sie die AfD anstrebt, werden wir entschieden entgegentreten. Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist daher ausgeschlossen", betonte Clara Bünger, rechtspolitische Sprecherin der Gruppe die Linke im Bundestag, auf Anfrage von LTO.
Bodo Ramelow signalisierte im Deutschlandfunk, dass er bereit sei, einer Änderung der Regelung zur Schuldenbremse für eine Investitionslenkung zuzustimmen, nicht jedoch einem Sondervermögen für Rüstungsprogramme.
Ein Sondervermögen für die Verteidigung noch mit dem alten Bundestag durchzubringen, wäre aus Sicht des Berliner Staatsrechtsprofessors Alexander Thiele ebenso möglich wie eine Last-Minute-Reform der Schuldenbremse: Der Bundestag könne jetzt noch in der alten Besetzung Art. 87a Abs. 1a GG ändern (neues Sondervermögen), "damit man etwas Luft hat", schreibt er auf dem Kurznachrichtendienst X und betont die "volle Handlungsfähigkeit" des aktuellen Bundestages. Auch der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz machte am Sonntagabend in der Berliner Runde in ARD/ZDF klar, dass es die Möglichkeit gebe, eine absehbare Sperrminorität noch mit dem alten Bundestag zu umgehen.
Wahl neuer Verfassungsrichter
Eine Herausforderung für den neuen Bundestag wird künftig auch die Wahl von Richtern und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts. Diese werden entweder vom Bundestag oder vom Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt.
Als Nächstes ist der Bundestag dran, eine vakante Stelle zu besetzen: Nämlich die von Josef Christ. Sein potenzieller Nachfolger Robert Seegmüller war zwar von der CDU schon nominiert worden, dessen Wahl hatte nach dem Zusammenbruch der Ampel aber nicht mehr stattgefunden.
Nun könnte das Bundesverfassungsgericht auch selbst mögliche Personen benennen. Das Gericht hatte jüngst gegenüber FAZ Einspruch mitgeteilt, dass die Richter und Richterinnen einen eigenen Vorschlag zur Richterwahl aber nur dann verabschieden, wenn die Wahl eines neuen Verfassungsrichters "durch den sich in Kürze konstituierenden Bundestag nicht in überschaubarer Zeit erfolgt". An die Vorschläge aus Karlsruhe wären die Abgeordneten nicht gebunden.
Was die Bundesverfassungsrichterwahl angeht, hat der Bundestag allerdings vorgesagt: Ende 2024 hat er die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts gegen eine mögliche Blockade aus der Sperrminorität heraus abgesichert, indem sich SPD, Union, Grüne und FDP auf einen Ersatzwahlmechanismus einigten. Danach gilt: Falls absehbar keine Zweidrittelmehrheit für eine Besetzung zustande kommt, kann das Wahlrecht vom Bundestag auf den Bundesrat übergehen und umgekehrt. Denn jedenfalls derzeit ist nicht damit zu rechnen, dass es in beiden Gremien zu einer Sperrminorität kommt.
Nach Art. 39 GG muss der neue Bundestag spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammentreten. Das wäre der 25. März 2025. An dem Tag endet dann auch die Wahlperiode des aktuellen Bundestages, Art 39 Abs. 1 S. 2 GG.
tap/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Bundestagswahl 2025: . In: Legal Tribune Online, 24.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56662 (abgerufen am: 23.03.2025 )
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