Der Rechtsausschuss im Bundestag hat gegen eine Abstimmung über die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen votiert. Eine rechtzeitige Sondersitzung im Plenum wäre rechtlich noch möglich, ist aber politisch nicht wahrscheinlich.
Ein Gesetzesvorhaben zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen ist vorerst gescheitert. Der Rechtsausschuss des Bundestags entschied am Montagabend, keine Abstimmung über den entsprechenden Gesetzesentwurf im Bundestag zu ermöglichen. Dafür wäre eine Sondersitzung des Bundestags nötig gewesen – für die es, unter anderem durch den Widerstand von Union und FDP, keine Mehrheit gab. Bis zum Abend hatte der Ausschuss gestern über die umstrittene Materie debattiert.
Grüne und SPD wollen keine "Zufallsmehrheit" mit AfD riskieren
Der Entwurf zur Legalisierung von Abtreibungen sei "unvereinbar mit den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs festgelegt hat", erklärte am Abend der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings.
Enttäuschung dagegen bei SPD und Grünen, die den Gesetzentwurf maßgeblich vorangetrieben hatten. "Dass Union und FDP nicht gewillt sind, übliche parlamentarische Vorgänge zu ermöglichen, ist der parlamentarischen Praxis unseres hohen Hauses nicht würdig und ein fatales Signal für unsere Demokratie", erklärten die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws, und die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge am Abend in einem gemeinsamen Statement. Ohne die Unterstützung von Union und FDP im Rechtsausschuss hätte es möglicherweise eine "Zufallsmehrheit mit der AfD" gegeben, um den Entwurf doch noch zur Abstimmung zu bringen. "Diese rote Linie überschreiten wir nicht", machten beide deutlich.
328 Bundestagsabgeordnete hatten den Entwurf unterstützt
Zuvor hatten mehrere Verfassungsrechtler:innen, Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen in einer dreistündigen Anhörung zu dem umstrittenen Gesetzentwurf Stellung bezogen. Der Entwurf, den 328 Bundestagsabgeordnete im Herbst 2024 als sogenannten Gruppenantrag eingereicht hatten, sieht vor, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche nach der Empfängnis außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln. Eine Expertenkommission hatte im April eine entsprechende Empfehlung abgegeben.
Bislang ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig. Geregelt ist das in § 218 Strafgesetzbuch (StGB) – den die Antragsinitiator:innen per Gesetzesänderung abschaffen wollen. Daraus wird nun aber sehr wahrscheinlich vor der Bundestagswahl und bis zur Einsetzung eines neuen Bundestags nichts mehr.
Rechtsexperte: Sondersitzung wäre noch möglich
Zwar wäre es dem Bundestag grundsätzlich möglich, noch bis zum Zusammentritt eines neuen Bundestags eine Sondersitzung einzuberufen und den Gesetzesentwurf zur Abstimmung zu bringen – das regeln Art. 39 Abs. 3 Grundgesetz und § 21 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundestages. Professor Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht, betont gegenüber LTO, dass der Bundestag alle Möglichkeiten hat, so viele Sondersitzungen zu machen, wie er will, bis das neue Parlament zusammentritt, was wohl erst Ende März sein wird. "Das Parlament hat die Möglichkeit, verfassungsrechtlich sehr schnell und zügig zu entscheiden. Entscheidend ist, ob der politische Wille da ist. Daran wird es hier vermutlich scheitern", so Thiele.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es noch zur Abstimmung über den Entwurf im Bundestag kommen sollte, ist es angesichts des umstrittenen Themas ohnehin fraglich, ob er eine Mehrheit bekäme. Offiziell unterschrieben hatten den Gruppenantrag 328 Bundestagsabgeordnete. Demnach würden noch 39 Stimmen für eine Mehrheit im Parlament fehlen.
Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs ist stark umstritten
In der Ausschusssitzung wurde deutlich, wie weit die Positionen teils auch unter Expert:innen der gleichen Disziplin auseinanderliegen. Insbesondere zur Verfassungsmäßigkeit einer Legalisierung und zur Frage, ob es ungewollt Schwangere in Deutschland tatsächlich mit größeren Engpässen bei der medizinischen Versorgung zu tun haben, gab es Uneinigkeit.
Während etwa die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf argumentierte, dass die bisherigen Urteile des BVerfG keiner Legalisierung im Wege stünden, sprach die Rechtswissenschaftlerin Frauke Rostalski von einem "verfassungswidrigen" Vorgehen der Antragsinitiator:innen.
Andere wie etwa die Sexualwissenschaftlerin Rona Torenz argumentierten, dass die aktuelle gesetzliche Regelung die Stigmatisierung von Betroffenen Ärzt:innen, die Abbrüche vornehmen, zementiere. Sie wies auch auf die teils dreistelligen Summen hin, die Frauen für den Eingriff zahlen müssten. Die Initiative der 328 Abgeordneten hatte auch zum Ziel, Schwangerschaftsabbrüche künftig zur Standardleistung von Krankenkassen zu machen und Betroffene so zumindest finanziell zu entlasten.
Am Montagabend gaben insgesamt 11 Expert:innen ihre Stellungnahmen mit Argumenten für und gegen den Gesetzentwurf sowie zur Frage nach seiner Verfassungsmäßigkeit ab. Die Debatte um eine Reform von § 218 StGB wird also bis auf Weiteres weitergehen. Die Chancen für eine Umsetzung dürften nach dem endgültigen Ende der Ampel eher gesunken sein.
dpa/mh/LTO-Redaktion
Legalisierungsreform von Schwangerschaftsabbrüchen: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56566 (abgerufen am: 17.03.2025 )
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