Der Bundesrat setzt sich für eine Verschärfung des Strafrechts ein, um effektiver gegen extremistische Chatgruppen im öffentlichen Dienst vorzugehen. Außerdem sollen Angriffe auf gemeinnütziges Engagement schärfer sanktioniert werden.
Mit einer neuen Strafvorschrift, die die Verwendung volksverhetzender Inhalte und verfassungswidriger Kennzeichen im Dienst unter Strafe stellt, will der Bundesrat effektiver gegen extremistische Chatgruppen im öffentlichen Dienst vorgehen. Auf Anregung von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein beschlossen die Länder am Freitag, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen.
Hintergrund der Bundesratsinitiative sind Fälle, in denen extremistische und menschenverachtende Inhalte in sogenannten geschlossenen Chatgruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes kursierten. Beteiligt an den internen Chats waren unter anderem Polizeibeamte, Justizvollzugsbedienstete oder Soldaten der Bundeswehr. LTO hatte immer wieder über derartige Vorfälle berichtet. Zuletzt hatte z.B. das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Entlassung von zwei Polizeianwärtern aus dem Polizeidienst bestätigt. Sie hatten u.a. Hitler-Bilder verschickt.
Strafrechtlich ist das Verhalten der auf Abwege geratenen Staatsdiener nicht immer leicht zu greifen: Für eine Verurteilung nach § 130 StGB (Volksverhetzung) oder nach § 86a StGB (Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen) fehle es oft an der Verwirklichung entscheidender Tatbestandsmerkmale. Etwa am Merkmal "Verbreiten eines Inhalts" (§ 130 Abs. 2 Nr. 1, § 131 Abs.1 Nr. 1a StGB), aber auch am Nachweis, dass die Personen die Inhalte vorsätzlich haben verbreiten wollen, so der Bundesrat. In der Regel bestünden die Chats außerdem nur aus einem individualisierten Kreis von Kolleginnen und Kollegen einzelner Behörden. Die kommunizierten Inhalte würden nicht mit einem undefinierten und unbestimmten bzw. unkontrollierbaren größeren Personenkreis geteilt.
"Erosion der rechtsstaatlichen Kultur entgegentreten"
Vor diesem Hintergrund schlägt der Bundesrat nunmehr einen neuen Straftatbestand vor, der die Äußerung und das "Zugänglichmachen" von volksverhetzenden Inhalten und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt, sofern die Tathandlung im Zusammenhang mit einer Dienstausübung erfolgt. Geregelt werden soll das in einem neuen § 341 StGB. Danach würde es künftig ausreichen, dass die Handlung der Amtsträger objektiv dazu geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in rechtsstaatliches Handeln von Behörden zu erschüttern - in tatsächlicher Erfolgseintritt ist nicht notwendig. "Die Pönalisierung dieses Verhaltens soll zukünftig potenzielle Täter davon abhalten, entsprechende Inhalte mit Wirkung für den dienstlichen Zusammenhang zu verwenden", heißt es in der Begründung.
Systematisch soll das neue Delikt die Gruppe der Amtsdelikte im StGB ergänzen: Der gemeinsame Unrechtsgehalt dieser Deliktsgruppe bestehe in dem Interesse der einzelnen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger an einem ordnungsgemäßen Funktionieren der staatlichen Verwaltung. "Zu diesen Funktionsbedingungen gehört neben dem Eintreten der Amtsträgerinnen und Amtsträger für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Rahmen der Dienstausübung auch der Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes." Die unter Strafe gestellten Handlungen seien ähnlich gefährlich wie Korruptionshandlungen.
Ziel der Initiative sei es, das Vertrauen in der Allgemeinheit in den öffentlichen Dienst und den Rechtsstaat zu stärken. Zugleich soll einer "Erosion der rechtsstaatlichen Kultur innerhalb von Behörden und Dienstgruppen" vorgebeugt werden, wie es in der Entwurfsbegründung heißt. Parallel zur Änderung im StGB schlägt der Bundesratsentwurf entsprechende Änderungen im Wehrstrafgesetzbuch vor, um auch extremistische Chatgruppen von Soldaten und Soldatinnen ahnden zu können.
Angriffe auf Ehrenamtliche strafverschärfend
Ebenso schärfer ahnden will der Bundesrat auf Anregung von Bayern Angriffe auf gemeinnütziges Engagement. Gemeint sind zum Beispiel kommunale Mandatsträger, Flüchtlingshelfer, Schiedsrichter und Personen im sicherheitsrelevanten Ehrenamt wie Feuerwehr. Diese würden "trotz ihrer herausragenden Rolle im gesellschaftlichen Leben" immer wieder zum Ziel von Angriffen sowohl physischer als auch psychischer Art.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht daher vor, die Regelung zur Strafzumessung in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB dahingehend zu ergänzen, dass künftig auch solche Auswirkungen der Tat besonders berücksichtigt werden können, die geeignet sind, gemeinnütziges Engagement des Geschädigten zu beeinträchtigen.
Angriffe auf Ehrenamtliche, so der Bundesrat, hätten nicht nur gravierende Auswirkungen auf die konkret geschädigten Personen selbst, sondern auch auf Belange des Gemeinwohls. Dies müssten die Wertungsnormen des allgemeinen Strafzumessungsrechts berücksichtigen und damit eine gesellschaftliche Wertschätzung ausdrücken, heißt es in der Entwurfsbegründung.
Bundestag muss entscheiden
Beide Entwürfe zur Änderung des StGB wurden nun der Bundesregierung zugeleitet, die dazu Stellung nimmt. Danach werden beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt.
Feste Fristen, wann sich dieser mit dem Vorschlag beschäftigt gibt es nicht. Sollte das Parlament das Gesetz verabschieden, würde sich der Bundesrat noch einmal abschließend damit befassen.
Gesetzentwürfe des Bundesrates zur Änderung des StGB: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52971 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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