Bundesrat spricht sich für Strafverschärfung aus: Ist die Rechts­lage bei K.O.-Tropfen zu lasch?

von Hasso Suliak

21.03.2025

Wer einer anderen Person heimlich K.O.-Tropfen verabreicht, um sie sexuell auszunutzen oder zu berauben, wird nach Auffassung der Länder derzeit nicht angemessen bestraft. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher zum Handeln auf.

Ein Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte kürzlich für erhebliche Aufregung gesorgt: Der 5.Strafsenat hatte im vergangenen Oktober entschieden, dass ein Täter, der jemandem mit einer Pipette heimlich K.O.-Tropfen ins Getränk träufelt, um die Person sexuell gefügig zu machen, zwar Gewalt begeht. Ein "gefährliches Werkzeug" im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB) verwende er dabei aber nicht. Eine solche Auslegung lasse sich ohne eine Verletzung des in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geregelten Bestimmtheitsgrundsatzes nicht mit dem Wortlaut der Norm vereinbaren, so der BGH.

Nach Auffassung des Bundesrates führt diese Rechtsauffassung dazu, dass entsprechende Sexual- und Raubtaten nicht angemessen geahndet werden. Schließlich würden die maßgeblichen Qualifikationen in § 177 Absatz 7 und 8 StGB (bei Raub in § 250 Absatz 1 und 2 StGB), die zu einer höheren Freiheitsstrafe führen, nicht zur Anwendung gelangen. Die kommende Bundesregierung fordern die Bundesländer daher dazu auf, "einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher den Einsatz psychotroper Substanzen zur Ermöglichung einer Sexual- oder Raubstraftat einem schuldangemessenen Strafrahmen unterstellt" (BR-Ds. 28/25). 

BMJ bezweifelt gesetzgeberischen Handlungsbedarf

Ob sich eine künftige Bundesregierung mit der Entschließung des Bundesrats vom Freitag jedoch jemals befassen wird, ist offen. Das derzeit noch vom parteilosen Volker Wissing geleitete Haus sieht für eine StGB-Änderung wohl eher keinen Anlass:

"Das deutsche Strafrecht bietet bereits konkrete Möglichkeiten für eine schuldangemessene Bestrafung bei dem Einsatz psychotroper Substanzen zur Begehung von Straftaten", so ein BMJ-Sprecher gegenüber LTO. Dies habe auch der BGH in seiner Entscheidung vom Oktober 2024 betont.

In der Tat hatte der BGH in seinem Beschluss klargestellt, dass es dem Tatgericht unbenommen sei, K.O.-Tropfen als "ein sehr gefährliches und in seiner konkreten Wirkungsweise, gerade in Kombination mit erheblichen Mengen Alkohol, kaum zu kontrollierendes Mittel" im Sinne des § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB zu werten und entsprechend bei der Strafzumessung zu würdigen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber zwischen der Variante in Abs.7. und der in Abs. 8, in der von einem "gefährlichen Werkzeug", aber nicht mehr von "Mittel" die Rede ist, hinsichtlich der Strafobergrenze keinen Unterschied gemacht.

K.O.-Tropfen zwecks sexueller Enthemmung verabreicht

Im Fall, der dem BGH seinerzeit zugrunde lag, hatte ein Mann zwei Frauen, von denen eine im späteren Strafverfahren als Nebenklägerin auftrat, in seine Wohnung eingeladen und sich entschlossen, ihnen heimlich sogenanntes Gamma-Butyrolacton (GBL) zu verabreichen, das im Körper zu Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB; gemeinhin bekannt als "Liquid Ecstasy" oder auch "K.O.-Tropfen") umgewandelt wird. Laut BGH wollte er dadurch die Frauen sexuell enthemmen, um dann mit und an ihnen sexuelle Handlungen zu vollziehen und sich durch gegenseitige sexuelle Handlungen der Frauen sexuell zu erregen.

Der Mann träufelte also beiden das GBL in ihre jeweiligen Getränke und erzielte im Verlauf des Abends auch die von ihm erhoffte Wirkung: Die Frauen zogen sich gegenseitig aus, legten sich auf die Couch und küssten sich. Der Angeklagte trat hinzu und streichelte eine der Frauen, die spätere Nebenklägerin, "zumindest an ihrer mit einem BH bedeckten Brust und über ihrer mit einem Slip bedeckten Vulva", wie es in der Entscheidung heißt. "Er erkannte, dass die Nebenklägerin aufgrund der Wirkung des GBL nicht mehr in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu äußern. Ohne die heimliche Gabe der GBL-Tropfen hätte die Nebenklägerin sich nicht auf den erheblich älteren und ihr erst seit kurzer Zeit bekannten Angeklagten eingelassen."

Erstickungsrisiko strafschärfend?

Nach Beendigung dieser Handlungen verschwand die Nebenklägerin plötzlich. Aufgefunden wurde sie schließlich im Garten des Wohngrundstückes auf der Erde liegend, schlafend, nicht ansprechbar und nur mit einem durchnässten Bademantel bekleidet.

Zwar lehnte der BGH anders als die Vorinstanz eine Bestrafung unter Verwendung eines "gefährlichen Werkzeug" ab, jedoch brachte das Gericht in seiner Entscheidung auch noch weitere Optionen für eine Strafverschärfung ins Spiel: So sei in dem Fall das Vorliegen der Tatvariante des § 177 Abs. 8 Nr. 2b, "Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr für das Opfer", nicht ausgeschlossen. Es habe bei der im Garten aufgefundenen Frau "aufgrund der starken Bewusstseinseintrübung und der Übelkeit das Risiko des Erstickens durch Bewusstlosigkeit wie das Rutschen der Zunge in den Schlund oder durch das Aspirieren von Fremdkörpern infolge Erbrechens" möglicherweise eine konkrete Todesgefahr bestanden.

Zitiervorschlag

Bundesrat spricht sich für Strafverschärfung aus: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56848 (abgerufen am: 26.04.2025 )

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