Nachgefragt: Gauck unterschreibt Gesetz trotz Zweifeln?: "Gängige Staatspraxis"

18.02.2013

Am vergangenen Freitag unterzeichnete Bundespräsident Joachim Gauck das Gesetz zur Einführung des Betreuungsgeldes. Gleichzeitig äußerte er verfassungsrechtliche Zweifel an der Regelung. Ein Widerspruch? LTO hat bei dem Staatsrechtler Volker Epping nachgefragt.

Epping: Das ist gängige Staatspraxis. Horst Köhler hat etwa das Luftsicherheitsgesetz ausgefertigt, obwohl er es verfassungsrechtlich für höchst bedenklich hielt. Diese Auffassung hat er auch deutlich gemacht und ausdrücklich angeregt, dass das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werde.

Ein Bundespräsident kann Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes äußern und es trotzdem unterzeichnen, wenn er es nicht für evident verfassungswidrig hält. Er regt damit im Grunde an, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Sache befassen möge. Selbst anrufen kann der Bundespräsident das Karlsruher Gericht ja nicht, das müsste die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestags tun.

Gauck hätte seine Unterschrift unter das Gesetz zum Betreuungsgeld daher wohl nur verweigert, wenn festgestanden hätte, dass es evident verfassungswidrig ist.

Materiell auf seine Verfassungsmäßigkeit hin prüfen darf der Bundespräsident ein Gesetz, bevor er es ausfertigt; er hat dafür sogar ein eigenes Referat im Bundespräsidialamt.

Prof. Dr. Volker Epping ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Leibniz Universität Hannover.

cko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Nachgefragt: Gauck unterschreibt Gesetz trotz Zweifeln?: "Gängige Staatspraxis" . In: Legal Tribune Online, 18.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8170/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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