BSG zu fiktiver Genehmigung für Operation: Kasse muss Haut­straf­fung in der Türkei zahlen

11.09.2018

Weil sich die Krankenkasse nicht rechtzeitig rührte, flog ein Mann extra in die Türkei, um sich dort nach seiner massiven Gewichtsabnahme die Haut straffen zu lassen. Die Kosten von über 4000 Euro muss die Kasse tragen, urteilt das BSG.

Ein Mann, der aufgrund seiner massiven Gewichtsabnahme eine Hautstraffung an Brust und Bauch vornehmen ließ, kann die Kosten dafür von seiner Krankenkasse zurückfordern, entschied das Bundessozialgericht (BSG) am Dienstag. Dass er den Eingriff trotz verweigerter Genehmigung selbst in der Türkei vornehmen ließ, schade seinem Anspruch nicht (Urt. v. 11.09.2018, Az. B 1 KR 1/18 R).

Noch am Montag hatte das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen über einen Fall zu befinden, in dem es um die fiktive Genehmigung einer Fettabsaugung ging. Eine fiktive Genehmigung meint, dass eine bei der Krankenkasse beantragte Leistung schon dann als genehmigt gilt, wenn die Kasse nicht rechtzeitig auf den Antrag antwortet. Gemäß § 13 Abs. 3a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) gilt in der Regel eine Bescheidungsfrist von drei Wochen. Eben darum ging es auch im Fall vor dem BSG.

Ein Mann hatte seine Krankenkasse verklagt, weil diese ihm nicht die Kosten für seine Hautstraffung hatte ersetzen wollen, die er auf eigene Faust in der Türkei vorgenommen hatte. Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht wiesen das Begehren allerdings zurück, da der Mann im Ausland keinen Anspruch auf die Leistung gehabt habe.

BSG: Auch ausländischen Ärzten kann man vertrauen

Dem trat nun das BSG in seiner Entscheidung entgegen und gab der Revision des Versicherten gegen das Berufungsurteil statt. Zunächst einmal stellten die Kasseler Richter fest, dass der Mann einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Operation gehabt habe. Dafür war es gleich, ob die Krankenkasse bei ordnungsgemäßer Bescheidung wirlich dazu verpflichtet gewesen wäre. Sie habe nicht in der vorgeschriebenen Zeit entschieden und somit eine fiktive Genehmigung der Leistung bewirkt, befand der 1. Senat. Dass sie die Leistung dennoch verweigert habe, sei rechtswidrig gewesen.

Die Tatsache, dass der Mann den Eingriff nicht in Deutschland, sondern in der Türkei hatte vornehmen lassen, sei zudem unerheblich, so das BSG. Denn wenn eine Krankenkasse eine Leistung rechtswidrig ablehne, sei man als Versicherter nicht gebunden, wo man einen Eingriff vornehmen lasse.

Zudem gibt es in den Augen der Richter keinen Grund für deutsche Krankenkassen, ausländischen Ärzten zu misstrauen. Diese unterlägen ebenfalls Sorgfalts- und ggf. Schadensersatzpflichten und böten ausreichend Gewähr "für eine ordnungsgemäße Leistungserfüllung".

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BSG zu fiktiver Genehmigung für Operation: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30875 (abgerufen am: 13.10.2024 )

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