Drei Euro sind im monatlichen Arbeitslosengeld II für Schulbücher vorgesehen. In Bundesländern, wo die Eltern die Lernmittel ihrer Kinder selbst anschaffen müssen, sei das zu wenig, so das BSG. Das Jobcenter müsse die Kosten übernehmen.
Jobcenter haben Hartz-IV-Empfängern die Kosten für Schulbücher zu erstatten, wenn die Materialien für ihre Kinder nicht von der Schule gestellt werden und sie diese selbst anschaffen müssen. Das geht aus zwei Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom Mittwoch hervor (Urt. v. 08.05.2019, Az. B 14 AS 6/18 R u. B 14 AS 13/18 R).
Geklagt hatten zwei Familien aus Celle und Hildesheim, bei denen die Eltern Arbeitslosengeld II erhalten. Sie hatten beim Eintritt ihrer Kinder in die elfte Klasse Schulbücher für 180 beziehungsweise 200 Euro angeschafft. In Niedersachen herrscht keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe, weswegen die Schüler ihre Schulbücher selber kaufen müssen.
Die Kosten dafür wollte das Jobcenter nicht übernehmen, weil Schulbücher im Regelbedarf berücksichtigt seien. Ebenso könnten gebrauchte Bücher angeschafft oder der Betrag angespart werden. Bereits das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hatte den klagenden Eltern schon Recht gegeben.
Auch nach der höchstrichterlichen Entscheidung muss das Jobcenter nun die Kosten für die Schulbücher übernehmen. Das BSG gab der Behörde zwar insofern Recht, dass im Regelsatz, also dem Geld für den monatlichen Lebensunterhalt, ein Betrag für Schulbücher eingerechnet sei. Dieser sei mit drei Euro aber "strukturell zu niedrig für Länder, in denen Schüler Lernmittel selber zahlen müssen".
Schulbuchkosten seien Härtefall-Mehrbedarf
Der Regelbedarf ermittle sich anhand einer bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Deren Ergebnis für Schulbücher sei folglich nicht auf Schüler übertragbar, für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe gelte, so die Kasseler Richter.
Schulbücher für Schüler, die sie mangels Lernmittelfreiheit selbst kaufen müssen, seien daher durch das Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 Sozialgesetzbuch (SGB) II zu übernehmen, entschied der Senat. Diese Regelung wurde aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eingeführt und soll gerade dann eingreifen, wenn ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftrete, dem der Regelbedarf nicht mehr gerecht werde.
Dagegen spricht nach Ansicht des BSG auch nicht die Kultushoheit der Länder. Mögliche Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung dürften nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden.
Ob und welche Lernmaterialien Schüler selbst anschaffen müssen, ist laut dem BSG in den Bundesländern völlig unterschiedlich geregelt. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW habe keinen Überblick, sagte eine GEW-Sprecherin auf Anfrage. Die Gewerkschaft will aber eine Studie in Auftrag geben, um die Situation und die Benachteiligung von Schülern zu untersuchen.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BSG zum Regelbedarf bei Hartz-IV: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35267 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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