BSG zu außergewöhnlichem Mehrbedarf: Job­center muss nicht für Sperma-Kon­ser­vie­rung zahlen

27.11.2020

Ein junger Sozialhilfeempfänger kann die jährlich knapp 300 Euro für die Aufbewahrung seiner eingefrorenen Samenzellen nicht vom Jobcenter ersetzt verlangen, entschied das BSG. Doch der Gesetzgeber könnte auf seiner Seite sein.

Jobcenter müssen nicht für die Konservierung von Sperma bei drohender Unfruchtbarkeit zahlen. Dies geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) von Donnerstag hervor. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Übernahme von angefallenen Kosten der Kryokonservierung seiner Samenzellen, entschiede das Gericht und hob ein anderslautendes Urteil aus Nordrhein-Westfalen auf (Urt. v. 26.11.2020, Az. B 14 AS 23/20 R).

Geklagt hatte ein heute 22-Jähriger gegen das Jobcenter Essen. Der Mann hatte 2014 wegen eines Immundefekts eine Chemotherapie bekommen und zuvor auf ärztlichen Rat Sperma einfrieren lassen. Nach der Behandlung war er unfruchtbar. Eine Übernahme der jährlichen Kosten von 297,50 Euro lehnten sowohl Krankenkasse als auch Jobcenter ab. Die Kosten seien vom Rahmen des zu gewährleistenden Existenzminimums umfasst, was Krankenbehandlungen einschließt, sagte der Vertreter des Jobcenters. Es sei auch keine Behandlung in diesem Sinne, weil sich der Zustand des Kranken nicht verändere.

Der Anwalt des Klägers hatte dagegen argumentiert, es handele sich um einen Mehrbedarf wie etwa die Anschaffung von Schulbüchern. Die Familienplanung stehe unter dem Schutz des Grundgesetzes. Doch aus der staatlichen Pflicht zum Schutz von Ehe und Familie könne eine so weitreichende Förderungspflicht des Gesetzgebers nicht abgeleitet werden, entschied das BSG.

Die Kosten seien zwar nicht im Hartz-IV-Regelsatz berücksichtigt. Sie stellten aber auch keinen Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) II dar, wonach atypische Ausgaben abgedeckt werden sollen, die nicht vom Regelbedarf berücksichtigt sind. Die Norm wurde aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Gewährleistung eines menschenwürdiges Existenzminimums ins Gesetz eingeführt.

Der Senat verwies zudem darauf, dass gesetzlich Krankenversicherte künftig einen Anspruch auf Kryokonservierung in solchen Fällen haben könnten. Ein entsprechendes Gesetz wurde 2019 angegangenn und sei noch in der Umsetzung.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BSG zu außergewöhnlichem Mehrbedarf: Jobcenter muss nicht für Sperma-Konservierung zahlen . In: Legal Tribune Online, 27.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43558/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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