Wer einen Anspruch auf Rückgabe von NS-Raubkunst hat, soll diesen künftig leichter durchsetzen können. Hierzu hat das Justizministerium nun einen Gesetzentwurf veröffentlicht. Neue Auskunftsansprüche und Verjährungsregeln sollen helfen.
Bis heute wurden Zehntausende Kunstwerke, die die Nazis den verfolgten Juden weggenommen haben oder die diese unter dem Druck der Verfolgung verkaufen mussten, nicht zurückgegeben. Das liegt auch daran, dass die vor mehr als 20 Jahren gegründete "Beratende Kommission NS-Raubgut" an ihre Grenzen stößt. Rechtlich sind ihr nahezu die Hände gebunden. Ihre Aufgabe liegt einzig und allein in der Mediation, die oft erst gar nicht zustande kommt. Deshalb wird schon länger gefordert, Opfern und Nachfahren der Opfer die Durchsetzung von Herausgabeansprüchen durch eine Gesetzesänderung zu erleichtern. Das geht die Bundesregierung nun an: Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) veröffentlichte am Mittwoch einen entsprechenden Referentenentwurf (RefE).
"Hundertausende Kulturgüter sind in Nazi-Deutschland ihren Eigentümern unrechtmäßig entzogen worden. Insbesondere Jüdinnen und Juden wurden so vielfach um ihren Besitz gebracht und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Acht Jahrzehnte nach Ende der NS-Herrschaft befinden sich etliche der von den Nazis entzogenen Kulturgüter noch immer nicht in den Händen ihrer Eigentümer. Mitunter liegt das daran, dass das Recht es schwer macht, bestehende Herausgabeansprüche durchzusetzen. Mit unserem Gesetz wollen wir die Durchsetzung bestehender Herausgabeansprüche erleichtern", erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch.
Es handelt sich um einen gemeinsamen Gesetzentwurf des BMJ, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und des Bundesministeriums der Finanzen. Er sieht Änderungen insbesondere des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), des Kulturgutschutzgesetzes (KGSG), des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und der Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Neue Herausgabeansprüche sind aber nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs. Hier bleibt es beim herkömmlichen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB.
Neuer Auskunftsanspruch im KGSG
Im KGSG soll ein neuer Auskunftsanspruch geregelt werden (§ 48a KGSG-E). Der vorgesehene Anspruch richtet sich gegen Personen, die Kulturgüter in Verkehr bringen, die ihren Eigentümern in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen wurden. Sie müssen Auskunft geben über ihnen bekannte Namen und Anschriften von Einlieferern, Veräußerern, Erwerbern und Auftraggebern.
Der Auskunftsanspruch soll sowohl von den Personen geltend gemacht werden können, denen zum Zeitpunkt der Entziehung das Eigentum an dem betreffenden Kulturgut zustand, als auch von deren Rechtsnachfolgern. Dadurch werde insbesondere die Prüfung erleichtert, ob den ursprünglichen Eigentümern bzw. ihren Rechtsnachfolgern weiterhin das Eigentum zusteht – oder ob das Eigentum inzwischen, zum Beispiel durch Ersitzung (§ 937 BGB), auf eine andere Person übergegangen ist.
Einrede der Verjährung soll eingeschränkt werden
Außerdem sieht der RefE vor, die Regeln über die Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe von Kulturgut zu verändern. Insbesondere das Leistungsverweigerungsrecht soll unter bestimmten Voraussetzungen bald ausgeschlossen sein (§ 214 Abs. 1 S. 2 BGB-E). Der Besitzer eines Kulturguts darf sich künftig nur noch dann darauf berufen, dass der Herausgabeanspruch gegen ihn verjährt ist, wenn er den Besitz in gutem Glauben erworben hat.
Diese Einschränkung soll auch dann gelten, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist. Die Regeln über die Ersitzung bleiben von diesen Änderungen aber unberührt.
Neue gerichtliche Zuständigkeiten
Für die Geltendmachung dieser Herausgabeansprüche sieht der Entwurf neue Gerichtszuständigkeiten vor: Für Ansprüche auf Herausgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut sowie für darauf bezogene Auskunftsansprüche soll die erstinstanzliche Zuständigkeit bei den Landgerichten konzentriert werden (§ 71 Abs. 2 Nr. 7 GVG-E). Nach der neuen Vorschrift sind die Landgerichte für entsprechende Klagen unabhängig davon zuständig, wie hoch der Streitwert (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) der konkreten Rechtssache ist. Damit wollen die Verfasser der Komplexität entsprechender Rechtssachen Rechnung tragen.
Weiterhin soll für diese Ansprüche ein besonderer Gerichtsstand eingeführt werden (§ 23a ZPO-E). Das ermöglicht es, Klagen auf Herausgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut und Klagen auf Auskunft immer auch in Frankfurt am Main erheben zu können – unabhängig davon, wo der Beklagte ansässig ist und daher grundsätzlich zu klagen wäre (§§ 12, 13 ZPO). Auch dadurch soll die Durchsetzung von Herausgabeansprüchen erleichtert werden: Denn Frankfurt am Main sei insbesondere auch für Kläger aus dem Ausland gut zu erreichen.
Rückzahlung staatlicher Leistungen im Falle der Restitution
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Hinblick auf die Eigentums- oder Besitzentziehungen in vielen Fällen staatliche Entschädigungen gewährt. Der RefE sieht deshalb schließlich auch die Schaffung eines Gesetzes zur Rückzahlung dieser Leistungen (Rückerstattungsrückzahlungszahlungsgesetz) vor. In diesem soll gesetzlich bestimmt werden, dass staatliche Schadensersatz- oder sonstige Geldleistungen, die Eigentümer oder Rechtsvorgänger erhalten haben, grundsätzlich zurückzuzahlen sind, wenn sie den Besitz des Vermögensgegenstandes oder ein Surrogat erlangen.
cho/LTO-Redaktion
BMJ will Rechtsdurchsetzung erleichtern: . In: Legal Tribune Online, 17.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54355 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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