Weil Vizekanzler Habeck Anfang 2024 nach einer privaten Reise an einem Fähranleger belagert wurde, nahm die Staatsanwaltschaft Flensburg Ermittlungen auf. Nun stellt sie sie weitgehend ein: Es habe keine organisierte Gewalt gegeben.
Etwa ein Jahr nach der umstrittenen Protestaktion, bei der etwa 350 Landwirte den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach seiner Rückkehr von einer Privatreise daran hinderten, eine Fähre in Schleswig-Holstein zu verlassen, wird laut Flensburger Staatsanwaltschaft nur gegen einen Tatverdächtigen ermittelt.
Gegen den Beschuldigten bestehe der Verdacht des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Strafgesetzbuch (StGB), sagte Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt am Freitagvormittag. Der Mann soll in Schlüttsiel bei dem Protest auf der Rampe zum Fähranleger die aufgebaute Polizeikette durchbrochen haben. Weitere tatverdächtige Personen konnten hierzu nicht ermittelt werden, hieß es.
Das Verfahren wird damit überwiegend eingestellt. In einer Pressemitteilung der Behörde heißt es, dass hinsichtlich der Vorwürfe der Nötigung, Bedrohung und Beleidigung keine Protestteilnehmer identifiziert werden könnten. Zudem scheide der ebenfalls in Betracht kommende Straftatbestand des Landfriedensbruchs "bereits aus tatsächlichen Gründen aus". Es fehle "an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass Gewalttätigkeiten gezielt und organisiert, d.h. im Zusammenwirken mit anderen Teilnehmern, verübt werden sollten". Gemäß § 125 StGB setzt der Landfriedensbruch voraus, dass Gewalttätigkeiten – oder Bedrohungen hiermit – "aus einer Menschenmenge" heraus begangen werden.
Schiff mit Habeck an Bord musste wieder ablegen
Am 4. Januar hatte es eine Protestaktion am Fähranleger Schlüttsiel gegeben. Habeck war auf der Rückkehr von einer Privatreise zur Hallig Hooge. Aus Sicherheitsgründen legte das Schiff damals wieder ab und fuhr zurück nach Hooge. Habeck konnte erst mehrere Stunden später nachts in Schlüttsiel an Land gehen. Hintergrund der Proteste von Landwirten waren geplante Streichungen von Subventionen. Nach Angaben der Reederei wäre das Schiff beinahe gestürmt worden.
Aufgrund der Unübersichtlichkeit der Lage hatten die eingesetzten Polizeikräfte auf Deeskalation gesetzt und keine Personalien der Demonstranten festgestellt. Zudem erbrachte den Angaben der Staatsanwalt nach die Auswertung des umfangreich gesicherten Film- und Bildmaterials keine Erkenntnisse. Dafür sei die Qualität in der Dunkelheit zu schlecht gewesen.
Oberstaatsanwältin 2024: "Straftatbestände völlig unbestritten"
Die Staatsanwaltschaft Flensburg hatte im Anschluss der Protestaktion Ermittlungen aufgenommen, um zu prüfen, ob von den Demonstranten Straftaten begangen wurden. Nach Darstellung der Leitenden Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp musste beispielsweise noch ermittelt werden, ob Demonstranten nach Ablegen der Fähre mit Habeck am 4. Januar versucht hätten, eine aus acht Polizisten bestehende Kette zu durchbrechen. Zu diesem Vorwurf konnte nun nur ein Verdächtiger ausgemacht werden.
Zur Strafbarkeit der Belästigungsaktion insgesamt hatte Gropp damals gesagt: "Dass wir hier Straftatbestände haben, ist vollkommen unbestritten."
Die Staatsanwaltschaft hatte früheren Angaben zufolge umfangreiche Auswertungsergebnisse aus Bild-, Ton- und Videodateien sowie weitere Recherche-Ergebnisse aus dem Internet gesichtet und bewertet. Im Anschluss hatte sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung eingeleitet und fortan geprüft, ob weitere Straftaten wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch vorliegen könnten. Auch Beleidigung (§ 185 StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB) kämen in Betracht.
Wenige Tage nach den Vorkommnissen hatte sich der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags damit befasst. Habeck selbst hatte im Dezember im Interview mit der Zeit von Rückzugsüberlegungen im Nachgang der Protestaktion berichtet: "Da brach das Politische voll in meinen privaten, familiären Schutzraum ein."
dpa/eh/LTO-Redaktion
Protest gegen Robert Habeck am Fähranleger: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56305 (abgerufen am: 15.01.2025 )
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