BGH verhandelt zu Gewerbemieten im Corona-Lockdown: Fifty-Fifty ist zu pau­schal

01.12.2021

Durch die Geschäftsschließungen in der Pandemie brachen die Einnahmen vieler Einzelhändler weg. Den BGH beschäftigte jetzt erstmals die Frage, ob sie dennoch die volle Miete zahlen müssen. Eine einfache Lösung zeichnet sich nicht ab.

Einzelhändler, die mit ihrem Vermieter über die Miete im Corona-Lockdown streiten, können voraussichtlich nicht auf eine pauschale Halbe/Halbe-Regelung hoffen. Wahrscheinlich müssen sämtliche Fälle vor Gericht einzeln genau geprüft werden. Dies zeichnete sich am Mittwoch am Bundesgerichtshof (BGH) in der Verhandlung eines Musterfalls aus Sachsen ab. Die obersten Zivilrichterinnen und -richter in Karlsruhe wollen ihr Urteil am 12. Januar verkünden (Az. XII ZR 8/21).

Bedingt durch die behördlich angeordneten Schließungen der Geschäfte waren die Einnahmen zahlreicher Gewerbetreibender von einem Tag auf den anderen weggebrochen. Manche Vermieter passten die Mieten an, andere nicht. Der Gesetzgeber hatte im Dezember 2020 reagiert und klargestellt, dass gewerbliche Mieter eine Anpassung ihres Mietvertrags verlangen können, wenn sie aufgrund der Corona-Pandemie schließen müssen oder ihr Geschäft nur mit starken Einschränkungen öffnen dürfen.

Einige Fälle landeten auch vor den Zivilgerichten. Bisher zeigen die Entscheidungen keine klare Linie.

BGH will keine pauschale 50/50-Lösung

In dem ersten Fall, der jetzt am BGH geklärt wird, geht es um eine Filiale des Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz, die vom 19. März bis zum 19. April 2020 schließen musste. Der Vermieter verlangt für den Zeitraum die Entrichtung der vollen Miete in Höhe von rund 7.850 Euro. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte entschieden, dass Kik nur ungefähr die Hälfte zahlen muss.

Diese 50/50-Lösung ist den BGH-Richterinnen und -richtern aber augenscheinlich zu pauschal. Sie sind der Meinung, dass zum Beispiel mitberücksichtigt werden muss, ob der betroffene Geschäftsinhaber staatliche Hilfen oder Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung bekommen hat. "Das dürfte eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls voraussetzen", sagte der Vorsitzende Hans-Joachim Dose.

Sein Senat tendiere daher dazu, das Dresdner Urteil aufzuheben. Das OLG müsste sich den Fall dann noch einmal genauer anschauen.

"Mieter und Vermieter sind keine Solidargemeinschaft"

Anwalt Thomas Winter, der vor dem BGH den Vermieter vertritt, argumentierte, der Vertrag sei im Jahre 2013 für zehn Jahre geschlossen worden, also für 120 Monate. Bei dem einmonatigen Lockdown gehe es um nicht einmal ein Prozent der vereinbarten Mietzeit. Ihm leuchte nicht ein, weshalb das Weiterzahlen der Miete hier unzumutbar sein sollte. "Mieter und Vermieter sind keine Solidargemeinschaft", so Winter.

Richter Peter Günter, der für das Verfahren zuständige Berichterstatter, sieht beide dagegen in einem Boot: "Es ist durchaus etwas, was beide betrifft, womit beide nicht gerechnet haben." Auch der Vermieter sei durch die Pandemie beeinträchtigt - so würde er im Lockdown wohl kaum einen neuen Mieter finden. Er plädierte dafür, immer den Einzelfall anzuschauen. Das Ergebnis 50/50 wäre zwar einfach, werde der Wirklichkeit aber nicht gerecht, sagte er.

Der Vertreter von Kik, Rechtsanwalt Siegfried Mennemeyer, warnte davor, sich im Falle des Textil-Discounters mit deutschlandweit rund 2.600 Filialen auf die Aussage zu beschränken, es gehe um einen großen Mieter. Man müsse sich jedes Objekt einzeln anschauen. 

Kik begrüßt Signal des BGH

Kik teilte mit, das Unternehmen habe im April 2020 sämtliche Mietzahlungen ausgesetzt und inzwischen mit 80 Prozent aller Vermieter eine außergerichtliche Einigung erzielt, in Form einer Teilung der Mietkosten oder anderweitigen Kompensation. Ziel sei gewesen, eine Schieflage des Unternehmens abzuwenden.

"Wir sehen uns in unserer Praxis, mit allen Vermietern in Einzelgesprächen über Kompensationen zu verhandeln, durch die heutige Verhandlung am Bundesgerichtshof bestätigt", erklärte Kik-Chef Patrick Zahn. So sei doch grundsätzlich signalisiert worden, "dass die Mietkosten bei coronabedingter Geschäftsschließung nicht allein vom Mieter getragen werden müssen".

dpa/cp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH verhandelt zu Gewerbemieten im Corona-Lockdown: Fifty-Fifty ist zu pauschal . In: Legal Tribune Online, 01.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46811/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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