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BGH zur Elternschaft bei gleichgeschlechtlicher Ehe: Das BGB kennt keine zwei Mütter

30.10.2018

Lesbisches Ehepaar: Eine von ihnen wir nicht nur wegen der Ehe zum rechtlichen Elternteil (Symbol)

© zinkevych - stock.adobe.com

Wer bei der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, ist laut Gesetz auch der Vater – wenn er denn ein Mann ist. Was aber, wenn es sich bei dem Ehepaar um zwei Frauen handelt? Der BGH hat sich nun zu dieser Frage Gedanken gemacht.

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Was für heterosexuelle Ehen gilt, muss noch lange nicht auf gleichgeschlechtliche zutreffen, sagt der Bundesgerichtshof (BGH). Die bei heterosexuellen Paaren geltenden Abstimmungsregelungen im bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) finden bei gleichgeschlechtlichen Ehen keine Anwendung, entschied der BGH mit einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 10.10.2018, Az. XII ZB 231/18). Somit wird die Ehefrau der Mutter eines Kindes nicht automatisch ebenfalls Elternteil. Eine gemeinsame Mutterschaft kann es nach Auffassung der Karlsruher Richter nur durch eine Reform des Abstammungsrechts geben.

Konkret ging es um den Fall zweier in Sachsen lebender Frauen, die im Oktober 2017 ihre eingetragene Lebenspartnerschaft zur Ehe hatten umwandeln lassen. Wenige Wochen später kam das gemeinsam geplante Kind zur Welt. Es wurde mit Spendersamen durch künstliche Befruchtung gezeugt. Entgegen dem Wunsch des Paares registrierte das Standesamt nicht beide Frauen als Mütter, sondern nur diejenige, die das Kind auch geboren hatte. Die Gerichte waren in der Frage uneins, die Standesamtsaufsicht brachte den Fall mit einer Rechtsbeschwerde in die höchste Instanz.

Der BGH entschied daraufhin, dass das Geburtenregister nicht unrichtig und die Ehefrau der Kindesmutter kein rechtlicher Elternteil des Kindes geworden sei. Die Elternstellung gemäß § 1592 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei weder direkt noch analog auf die Ehe zweier Frauen anwendbar. Nach der Vorschrift ist Vater des Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist.

Kein Raum für analoge Anwendung

Der Gesetzgeber habe das Abstammungsrecht nach der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe (noch) nicht geändert, so der BGH in seiner Begründung. Die Abstammungsregeln der §§ 1591 ff. BGB hätten nach wie vor die Eltern-Kind-Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater zum Gegenstand, gingen also von zwei verschiedengeschlechtlichen Elternteilen aus.

Dem kann man laut BGH auch nicht mit einer Analogie begegnen. Zwar habe der Gesetzgeber mit der "Ehe für alle" die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare beenden wollen, von der Reform des Abstammungsrechts habe er aber bewusst Abstand genommen. Darüber hinaus fehle es an der für eine analoge Anwendung der Vorschriften erforderlichen Vergleichbarkeit der Fälle. Die Vaterschaft kraft Ehe beruhe gerade darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regelmäßig abbilde. Die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende widerlegbare Vermutung der Vaterschaft sei für die mit der Kindesmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet.

Der BGH sieht in der Rechtslage auch keinen Verstoß gegen das Grundgesetz oder die Europäische Menschenrechtskonvention. Die unterschiedliche Behandlung von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren und deren Kinder im Abstammungsrecht sei gerechtfertigt, da die Ehefrau der Mutter rein biologisch nicht leiblicher Elternteil des Kindes sein könne. Bis zu einer eventuellen Neuregelung des Abstammungsrechts bleibe der Frau aber die Möglichkeit der Adoption, um rechtlicher Elternteil zu werden.

acr/LTO-Redaktion

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BGH zur Elternschaft bei gleichgeschlechtlicher Ehe: Das BGB kennt keine zwei Mütter . In: Legal Tribune Online, 30.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31779/ (abgerufen am: 27.09.2023 )

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