Eine Anwältin musste auf der Fahrt zur Verhandlung plötzlich erbrechen. Das Gericht konnte sie telefonisch nicht darüber informieren. Eine unverschuldete Säumnis liegt trotzdem nicht vor, so der BGH in einer examensrelevanten Entscheidung.
Wer einen Gerichtstermin kurzfristig und unvorhersehbar nicht wahrnehmen kann, muss alles Mögliche und Zumutbare tun, um rechtzeitig über die Verhinderung zu informieren und hierdurch eine Verlegung oder Vertagung des Termins zu ermöglichen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Beschl. v. 24.01.2024, Az. XII ZB 171/23).
In einem familienrechtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht (AG) Frankfurt (Oder) verlangte ein Mann 44.000 Euro von seiner getrenntlebenden Ehefrau. Die Anwältin der Frau wollte dafür von Berlin zu einem Gerichtstermin nach Frankfurt fahren. Sie musste die Fahrt allerdings unterbrechen, weil sie plötzlich "schubweise schwere krampfhafte Zustände" verbunden mit Brechreiz und Durchfall bekam. Die Anwältin gab an, mehrfach erfolglos versucht zu haben, das AG zu erreichen.
Nach zwei Stunden habe sie ihre Fahrt fortsetzen können. Zwischenzeitlich habe sie auch ihre Kanzleimitarbeiterin damit beauftragt, das Gericht anzurufen. Die Mitarbeiterin erreichte die zuständige Richterin jedoch erst nach Ende der Verhandlung. Diese teilte mit, sie habe wegen der Abwesenheit der Anwältin einen Versäumnisbeschluss erlassen, laut dem die Ehefrau ihrem Mann antragsgemäß 44.000 Euro zahlen muss.
Dagegen legte die unterlegene, von der verspäteten Anwältin vertretene Frau erfolglos Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg und nun ebenso erfolglos Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Dieser wies den Antrag als unzulässig zurück. Der BGH begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, die Frau habe nicht darlegen können, dass ihre Säumnis unverschuldet war. Ob eine Säumnis nach § 117 Abs. 2 S. 1 Familienverfahrensgesetz (FamFG) i.V.m. § 514 Abs. 2 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) unverschuldet ist, bemesse sich nach denselben Maßstäben wie bei der prozessrechtlichen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Demnach müssen die Gründe für die unverschuldete Säumnis schlüssig, vollständig und widerspruchsfrei vorgetragen werden.
BGH verlangt sehr genaue Angaben: Wer rief wann wo an?
Dem Beschluss des BGH zufolge hat die Frau entsprechend diesen Maßstäben nicht ausreichend begründet, inwieweit ihre Anwältin versucht haben soll, das Amtsgericht über ihre Verhinderung zu informieren. Die bloße Angabe, sie habe mehrfach erfolglos versucht, anzurufen, genügte gerade nicht, um die schuldhafte Säumnis abzuwenden, so der BGH.
Sie hätte vielmehr darlegen müssen, wann genau und wie oft und unter welcher Telefonnummer die Anwältin oder ihre Mitarbeiterin das Gericht angerufen haben sollen. "Denn hätte sie etwa eine falsche Telefonnummer gewählt oder erst wenige Minuten vor 10 Uhr [für diese Zeit war die Verhandlung terminiert, Anm. d. Red.] Kontaktversuche unternommen, obwohl sie ihre Fahrt nach eigenen Angaben bereits um 9 Uhr unterbrochen hat, wären ihre Bemühungen ersichtlich unzureichend gewesen", schreibt der BGH in seinem Beschluss.
Die Entscheidung dürfte besonders interessant für Referendar:innen sein, da sowohl Versäumnisurteile als auch die Wiedereinsetzung beliebte Themen für das zweite Staatsexamen sind.
hes/LTO-Redaktion
BGH zur unverschuldeten Säumnis: . In: Legal Tribune Online, 04.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54016 (abgerufen am: 01.12.2024 )
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