Risikogebiete, Einreiseverbote, Quarantänepflichten: Die Pandemie hat die Urlaubspläne vieler Menschen über den Haufen geworfen. Wann kann die Pauschalreise kostenfrei storniert werden, wann nicht?
Ein Mann tritt bei Ausbruch der Corona-Pandemie von einer gebuchte Pauschalreise zurück, wenig später wird sie sowieso unmöglich - muss er trotzdem die vereinbarten Stornierungsgebühren zahlen? Das prüfen die Richterinnen und Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) seit Dienstag. Ursprünglich hatten sie gleich eine Entscheidung verkünden wollen. Nach weiteren Beratungen im Anschluss an die Verhandlung wurde der Termin aber ohne Angabe von Gründen auf den 2. August verschoben.
Es ist der erste Corona-Fall im Reiserecht, der den BGH erreicht hat. Der Kläger hatte bei einem Münchner Veranstalter für mehr als 6.000 Euro eine Japan-Reise gebucht, die vom 3. bis 12. April 2020 stattfinden sollte. Am 1. März trat er wegen der sich zuspitzenden Lage von der Reise zurück und bezahlte vertragsgemäß 25 Prozent Stornokosten, knapp 1.540 Euro. Ende März erging für Japan ein Einreiseverbot. Nun will er das Geld zurück.
Laut Gesetz kann der Kunde jederzeit von seiner Buchung zurücktreten. Dem Reiseveranstalter steht aber eine "angemessene Entschädigung" zu - die Stornogebühren. Der Rückzahlungsanspruch ohne diese setzt nach § 651h Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) voraus, dass am Reiseziel unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände aufgetreten sind, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt haben.
BGH will wohl Entwicklung nach Rücktritt berücksichtigen
Umstritten ist, ob es hierbei ausschließlich auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ankommt oder auch die spätere Entwicklung zu berücksichtigen ist. Beide Vorinstanzen haben auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abgestellt, im Fall aus München also auf den 1. März. Dabei sind sie aber dennoch zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts (AG) München war schon zu diesem Zeitpunkt hinreichend wahrscheinlich, dass es bis Anfang April zu weiteren Einschränkungen kommen wird, die die Reise erheblich beeinträchtigen. Das Landgericht (LG) München I ist hingegen zu der Einschätzung gelangt, am 1. März sei eine solche Entwicklung noch nicht absehbar gewesen.
Der für das Reiserecht zuständige Zivilsenat tendiert nun dazu, auch die nachträgliche Entwicklung in den Blick zu nehmen, wie der Vorsitzende Klaus Bacher sagte. Dies würde dem klägerischen Vortrag entsprechen, nachdem das Berufungsgericht noch dem Veranstalter Recht gegeben hat.
Allerdings spielen die Richter auch mit dem Gedanken, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzuschalten. Denn für Pauschalreisen gibt es in einer EU-Richtlinie einheitliche Regeln. Der österreichische Oberste Gerichtshof hat bereits in einem ganz ähnlichen Fall Fragen in Luxemburg vorgelegt. Bachers Senat steht nun vor der Entscheidung, ob er auch diesen Weg geht.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Erster Corona-Reiserecht-Fall vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 28.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48876 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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