BGH zur Einwilligung in medizinische Eingriffe: Schrift­liche Auf­klärung beim Arzt nur als Ergän­zung mög­lich

21.01.2025

Zur Aufklärung über medizinische Eingriffe muss ein mündliches Gespräch gehören, das über schwerwiegende und seltene Risiken aufklärt. Schriftliche Unterlagen können nur als Stütze dienen, etwa zur Wiederholung des Gesagten. So der BGH.

Aufklärungen bei Ärzten müssen mündlich stattfinden und dürfen nur ergänzend auf schriftliche Unterlagen verweisen. Der für die selbstbestimmte Entscheidung notwendige Inhalt muss immer mündlich mitgeteilt werden. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar (Urt. v. 5.11.2024, Az. VI ZR 188/23). Der VI. Senat gab damit der Revision eines Patienten statt, der seinen Arzt wegen fehlerhafter Aufklärung über OP-Risiken verklagt hatte.

Bei dem Mann war im Jahr 2015 eine Arthrose im rechten Sprunggelenk festgestellt worden. Zunächst bekam er die Empfehlung, diese konservativ mit Bewegungsübungen und Belastungsreduktion zu behandeln. Nachdem die Beschwerden jedoch nicht nachließen, empfahl der Arzt eine operative Behandlung.

Eine OP reichte nicht 

Ein Operationstermin wurde vereinbart. Dazu liegen ein Aufklärungsbogen zur arthroskopischen Untersuchung und Behandlung/Operation des Sprunggelenks vor, den der Patient und auch der Arzt unterschrieben hatten. Doch eine OP reichte nicht aus, sie vereinbarten einen Termin für eine zweite. Schon im Vorfeld klagte der Patient über Missempfindungen im rechten Fuß. Es wurde festgestellt, dass diese auf eine Nervenschädigung zurückzuführen waren, zu der es bei der ersten OP gekommen ist. Eine entsprechende operative Behandlung folgte.

Der Patient machte schließlich geltend, er sei nicht über die Behandlungsalternativen sowie das Risiko der Arthroskopie, insbesondere nicht über das Risiko der Nervenschädigung, aufgeklärt worden. Er sei infolge der Operation erwerbslos, zu 60 Prozent schwerbehindert und dauerhaft erwerbsunfähig. Er verlangt daher vom Arzt materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzungen nach § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 630e Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der beklagte Arzt ist dem entgegengetreten und hat den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben.

Vor dem Landgericht (LG) Darmstadt hatte der Patient keinen Erfolg, es wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in Darmstadt wies die Berufung ebenfalls ab. Vor dem BGH hatte der Patient mit seiner Revision nun aber Erfolg. Das OLG habe die Anforderungen an die Mittel der Kommunikation bei der Aufklärung unzutreffend beurteilt, so der BGH. 

Nur ergänzende Bezugnahme auf Unterlagen

Die Karlsruher Richter:innen verweisen in ihrem Urteil zunächst darauf, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung nach § 630d Abs. 2 BGB voraussetze. Dabei müssten die in Betracht kommenden Risiken nicht exakt medizinisch beschrieben werden. Es genüge, den Patienten "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern.

Wie genau die Aufklärung ablaufen muss, bestimme § 630e Abs. 2 BGB. Demnach muss sie mündlich erfolgen. Ergänzend dürfe auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. “Ergänzend” bedeute, dass auf den Text zur Wiederholung des Gesagten, zur bildlichen Darstellung und zur Verbesserung des Verständnisses des mündlich Erläuterten und zur Vermittlung vertiefender Informationen, die aber für das Verständnis der Risiken nicht unbedingt notwendig sind, verwiesen werden kann.

Der BGH nimmt hier Bezug auf die Gesetzgebungsmaterialien zu der Norm. Sie sehen vor, dass der Patient die Möglichkeit haben muss, in einem persönlichen Gespräch mit dem Behandelnden gegebenenfalls auch Rückfragen zu stellen, so dass die Aufklärung nicht auf einen lediglich formalen Merkposten innerhalb eines Aufklärungsbogens reduziert wird. Der Arzt müsse sich im Aufklärungsgespräch außerdem davon überzeugen, dass der Patient die mündlichen wie schriftlichen Hinweise und Informationen verstanden habe.

Diese Grundsätze hat das OLG nach Auffassung des BGH nicht vollständig beachtet. Das OLG hatte entschieden, dass es offenbleiben könne, ob in den mündlichen Gesprächen der Parteien das Risiko einer Nervenschädigung ausdrücklich erwähnt worden ist oder nicht. Wegen der "angemessenen Kombination zwischen Aufklärungsbogen und persönlichem Gespräch" müsse nicht der gesamte Inhalt des Aufklärungsbogens im mündlichen Gespräch wiederholt werden. Das sei rechtsfehlerhaft, meint der VI. Zivilsenat.

Keine Berufung auf hypothetische Einwilligung möglich

Mangels anderweitiger Feststellungen sei nämlich davon auszugehen, dass das Risiko der Nervenschädigung wirklich nicht mündlich zur Sprache kam. Deshalb könne man den Aufklärungsbogen nicht ausreichen lassen, so der BGH. Das Risiko einer Nervenschädigung und ihre Auswirkungen hätte im Aufklärungsgespräch vom aufklärenden Arzt ausdrücklich benannt werden müssen, selbst wenn dem Patienten zuvor der Aufklärungsbogen zum Selbststudium überlassen worden sein sollte.

Entgegen der Vorstellung des OLG entstehe das Gesamtbild der gebotenen Aufklärung nicht durch eine Zusammenfügung eines mündlichen und eines schriftlichen Teils. Vielmehr müsse jedenfalls der für eine selbstbestimmte Patientenentscheidung notwendige Inhalt mündlich mitgeteilt werden. Nur dann besteht laut BGH für den Patienten die ausreichende Gelegenheit für (Rück)fragen im Gespräch und für den Arzt die Möglichkeit, Verständnisprobleme, Fehlvorstellungen, aber auch Ängste zu erkennen und auf sie unmittelbar und individuell zu reagieren.

Auch auf eine hypothetische Einwilligung könne sich der Arzt nicht berufen, die Ausführungen im Berufungsurteil seien diesbezüglich fehlerhaft. Das OLG habe die die hypothetische Einwilligung lediglich unter dem Aspekt der Aufklärung über die Erfolgsaussichten einer ambulanten Arthroskopie geprüft, nicht aber in Bezug auf die Aufklärung über das Risiko von Nervenschäden.

Das OLG muss den Fall nun unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe nun erneut entscheiden, der BGH hat die Sache zurückverwiesen.

pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zur Einwilligung in medizinische Eingriffe: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56393 (abgerufen am: 12.02.2025 )

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