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BGH zur Pressefreiheit: Poli­zist mit frag­wür­digen Pat­ches bei Nazi-Demo muss Foto dulden

06.12.2022

Ein Polizist mit rotem Bart und Sonnenbrille steht vor einem Einsatzfahrzeug während einer Demonstration.

Die erforderliche Genehmigung für das Kreuzritter-Patch sei nach Angaben der Direktion Bundesbereitschaftspolizei nicht erteilt worden. Foto: Twitter / Initiative "Rechts rockt nicht!"

Ein deutscher Bundespolizist, der 2019 während eines Einsatzes bei einem sächsischen Neonazi-Treffen umstrittene Symbole auf seiner Uniform trug, muss die Veröffentlichung seines Fotos in der Presse dulden. Das entschied der BGH.

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Während eines Einsatzes zur Unterstützung der Gegendemonstration bei einem Neonazi-Treffen im sächsischen Ostritz trug ein Bundespolizist umstrittene Symbole auf seiner Uniform und wurde fotografiert. Die anschließende Veröffentlichung seines Fotos auf Twitter und die Berichterstattung auf n-tv mit dem Wortlaut "Etwas in Schieflage geraten - Viele Polizisten sympathisieren mit AfD" habe er zu dulden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil (Urt. v. 8.11.2022, VI ZR 1319/20).

Der Polizist war am 22. Juni 2019 auf der Veranstaltung "Rechts rockt nicht" im Einsatz gewesen. Dabei handelte es sich um eine Gegendemonstration zum gleichzeitig stattfindenden Neonazi-Festival "Schild- und Schwert". Er hatte dabei auf seiner Uniform zwei Aufnäher getragen: Einer war ein sogenanntes Kreuzritter-Patch mit dem Leitspruch "recte faciendo neminem timeas" ("Tue recht und scheue niemand"). Darunter war ein Symbol mit dem Motto "Molon Labe" ("Komm und hol sie dir!") angebracht. Damit soll ausgedrückt werden, sich nicht kampflos zu ergeben. In den USA ist das Motto unter Befürwortern des Waffenbesitzes verbreitet.

Keine Genehmigung für Kreuzritter-Patch

In einer darauffolgenden Erklärung der Direktion Bundesbereitschaftspolizei wies diese darauf hin, dass nach den "Bestimmungen zum Erscheinungsbild und für das Tragen der Dienstkleidung in der Bundespolizei" für das öffentliche Tragen von Kennzeichnungen eine Genehmigung erforderlich sei. Private Aufnäher dürften an der Uniform nicht getragen werden. Eine solche Genehmigung habe es auch für das Kreuzritter-Patch nicht gegeben. Nach Angaben der Bundesbereitschaftspolizei hätten dienstrechtliche Ermittlungen stattgefunden.

Über die fragwürdigen Aufnäher hatte unter anderem ein Fernsehsender berichtet, auch war das unverpixelte Foto des Mannes, das ihn auf dem Einsatz zeigte, über den Kurznachrichtendienst Twitter verlinkt worden. Das wollte der Beamte nicht hinnehmen, klagte und unterlag in der Vorinstanz. Dem folgte nun auch der BGH. Ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung, Verbreitung oder Verlinkung des Bildnisses bestehe nicht.

Das Foto sei als Bildnis der Zeitgeschichte zu werten. Außerdem habe der Mann durch die Aufnäher selbst Zweifel an seiner Neutralität als Polizist gesät und dadurch selbst Fragen über seine Gesinnung aufgeworfen.

Patch lasse auf Symphatie für Nazi-Veranstaltung schließen

Es könne dahinstehen, ob die vom Kläger gezeigten Aufnäher tatsächlich rechter oder rechtsradikaler Natur seien. Wenn der Kläger, der anlässlich eines Neonazifestivals mit dem Namen "Schild und Schwert" eingesetzt worden sei, Aufnäher trage, die Schwert und Schild darstellten, liege für den unbefangenen Betrachter die Vermutung nahe, dass er damit seine Sympathie für die Veranstaltung zum Ausdruck bringe, so der BGH.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung, Verbreitung oder Verlinkung seines Bildnisses im Kontext der Berichterstattungen. Die vom Kläger angegriffene Bildberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis sei nach Ansicht des BGH wegen § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen.

Gegenüber dem Interesse der Presse an der Veröffentlichung wiege die Beeinträchtigung des Rechts des Mannes auf Schutz seiner Persönlichkeit weniger schwer. Zwar mache das Bild in identifizierender Weise ein Verhalten des Klägers öffentlich bekannt, das ihn in den Augen des überwiegenden Teils der Leser negativ qualifiziere. Bei der Frage der Gewichtung der Beeinträchtigung sei aber zu berücksichtigen, dass der Kläger auch nur von einem kleinen Kreis von Personen vollständig identifiziert werden könne, nämlich von seinem beruflichen und näheren persönlichen Umfeld.

Hinzu komme, dass sich der Kläger selbst in diese Situation begeben und für das Tragen der Aufnäher unter Verletzung von Dienstvorschriften entschieden habe, so der BGH.


ku/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa


* Version vom 06.12.22, 15:50 Uhr; Dienstrechtliche Ermittlungen wurden entgegen einer Angabe in der Vorversion von der Bundesbereitschaftspolizei durchgeführt.

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BGH zur Pressefreiheit: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50384 (abgerufen am: 25.05.2025 )

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