BGH zu Richterwechsel nach der mündlichen Verhandlung: Nur wer da war, kann auch ent­scheiden

08.05.2025

Nach der mündlichen Verhandlung in einer Bausache verließ die zuständige Richterin das Landgericht. Das Urteil fällte eine andere Richterin – ohne erneute Verhandlung. Das verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, so der BGH. 

Die Regelung in § 309 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist eindeutig: Wer als Richterin bzw. Richter ein Urteil fällt, muss auch bei der zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung anwesend gewesen sein. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, so der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Bausache (Beschl. v. 16.04.2025, Az. VII ZR 126/23).

In der Sache geht es um Ersatzansprüche wegen mangelhafter Ausführungen einer Tiefgaragenabdichtung bei einem Bauvorhaben in Augsburg. Das beklagte Bauunternehmen hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Am 16. September 2021 hat das Landgericht (LG) Augsburg mündlich verhandelt und die zuständige Einzelrichterin hat die Urteilsverkündung für den 2. Dezember 2021 anberaumt. Im Oktober hat sie jedoch das LG verlassen. Aufgrund dieses Richterwechsels beantragte die Klägerin, einen neuen Termin für eine mündliche Verhandlung zu bestimmen. 

Die nunmehr zuständige Richterin lehnte das jedoch ab und verkündete ein klageabweisendes Urteil – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2021 (LG Augsburg, Urt. v. 02.12.2021, Az. 63 O 547/21).

OLG: Schriftliches Verfahren reicht

Die Klägerin legte Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) München ein, blieb damit allerdings erfolglos. Das OLG stellte zwar fest, dass das erstinstanzliche Urteil unter Verstoß gegen § 309 ZPO ergangen sei, weil die neue Richterin bei der mündlichen Verhandlung im September 2021 nicht anwesend war. 

Dennoch führe das nicht zur Begründetheit der Berufung, so das OLG (Beschl. v. 30.05.2023, Az. 27 U 564/22 Bau). Die rechtliche Würdigung könne auch allein aufgrund des schriftlichen Verfahrens angemessen vorgenommen werden. Außerdem habe das LG zu Recht angenommen, etwaige Ansprüche der Klägerin seien verjährt. Auch das OLG verzichtete auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Revision ließ es nicht zu.

BGH: Verstoß gegen Anspruch auf rechtliches Gehör

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH hatte die Klägerin dagegen Erfolg. Das OLG habe gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, so der BGH.

Das erkennende Gericht müsse die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Das sei nur dadurch möglich, dass die Richter an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung mitwirken – wie es § 309 ZPO auch ausdrücklich vorschreibe.

Da auch in der Berufungsinstanz keine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, sei dieser Mangel auch nicht geheilt worden. Weder vor dem LG noch vor dem OLG habe die Klägerin ihre Argumente darlegen können.

Zwar folge aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zwingend auch ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Hier sei eine solche allerdings geboten gewesen. Das OLG durfte die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisen, so der BGH.

Der BGH hat den Beschluss aufgehoben und den Rechtsstreit gemäß § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO an einen anderen Zivilsenat des OLG zurückverwiesen.

Die Klägerin hatte die Zurückverweisung an das LG beantragt. Das komme jedoch nicht in Betracht, so der BGH. Grundsätzlich müsse das OLG als Berufungsgericht nach § 538 Abs. 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden.

fkr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zu Richterwechsel nach der mündlichen Verhandlung: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57158 (abgerufen am: 14.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen