BGH zum Pferdekauf: Wann ein Pferd noch neu ist - und wann schon gebraucht

05.11.2019

Ein zweienhalbjähriger Hengst ist nicht als "neu hergestellt" anzusehen, urteilte kürzlich der BGH. Und stellte klar: Leben steigert das Sachmängelrisiko. 

Bei beweglichen Sachen fällt es leicht, aber bei Tieren kann man schon mal ins Grübeln kommen, wenn es um die Abgrenzung zwischen "neu" bzw. "neu hergestellt" und "gebraucht" geht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich der Problematik in einer kürzlich veröffentlichen Entscheidung angenommen und entschieden, dass nicht nur eine nutzungs-, sondern auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos zu berücksichtigen ist (Urt. v. 09.10.2019, Az. VIII ZR 240/18).

Geklagt hatte eine passionierte Amateur-Dressurreiterin, die im November 2014 auf einer öffentlichen Versteigerung einen seinerzeit knapp zweieinhalb Jahre alten ungekörten Hengst zum Preis von rund 26.680 Euro erstand. Bis zum Auktionszeitpunkt wurde das Pferd weder geritten noch angeritten. Vor der Versteigerung wurde es klinisch untersucht, wobei sich keine besonderen Befunde ergaben.

Im Frühjahr 2016 habe sich dann aber herausgestellt, dass das Pferd für sie nicht reitbar sei. Sie war der Ansicht, dass das Pferd unter einem Mangel litt und trat vom Kaufvertrag zurück. Der Verkäufer führte dagegen allerdings die Einrede der Verjährung ins Feld. Die Auktionsbedingungen sahen vor, dass die Gewährleistungsansprüche der Käufer bereits nach drei Monaten verjähren.

Lebensalter erhöht Sachmängelrisiko

Eine solche Vereinbarung ist allerdings unwirksam, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Das zuvor mit dem Fall befasste Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein entschied jedoch, dass die Verschriften des Verbrauchgüterkaufs der dreimonatigen Verjährungsfrist nicht entgegenstünden, da es sich bei dem Pferd um eine gebrauchte Sache im Sinne des § 474 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handele.

Die dagegen gerichtete Revision der Reiterin hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Zwar ließen sich für die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein noch nicht genutztes Pferd nicht mehr als "neu" zu bewerten ist, keine allgemein gültigen zeitlichen Grenzen aufstellen – jedenfalls sei aber ein zweieinhalbjähriger Hengst, der schon seit längerer Zeit von der Mutterstute getrennt ist, infolgedessen über einen nicht unerheblichen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung vollzogen hat und seit längerem geschlechtsreif ist, als "gebraucht" bzw. als nicht "neu hergestellt" anzusehen, entschieden die Karlsruher Richter.

Auch ein Tier, das noch nicht seiner Gebrauchsbestimmung (hier: als Reit- bzw. Dressurpferd) zugeführt wurde, kann laut BGH je nach Umständen als "gebraucht" einzustufen sein. Damit bejahte der Senat die bislang offen gelassene Frage, ob neben einer nutzungs- auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmangelrisikos zu berücksichtigen ist.

Keine allgemeingültigen Altersgrenzen

Laut BGH liegt der unterschiedlichen Behandlung des Kaufs von gebrauchten und neuen beweglichen Sachen die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass dem Verkäufer bei gebrauchten Sachen Haftungserleichterungen zugute kommen sollen, weil diese mit einem höheren Sachmängelrisiko behaftet seien als neue Gegenstände. Wegen ihrer Eigenschaft als Lebewesen könne bei Tieren auch ohne den Einsatz als Nutztier eine erhöhte Gefahr eines Sachmangeleintritts bestehen.

"Anders als unbelebte Gegenstände 'gebraucht' sich ein Tier allein dadurch ständig selbst, dass es lebt und sich bewegt; hierdurch steigert es das ihm anhaftende Sachmängelrisiko", so der BGH in seinem Urteil. Und weiter: "Dies alles blendet die Revision aus, wenn sie einen "Gebrauch" allein mit der Nutzung eines Tieres gleichsetzt und den Umstand, dass ein Lebewesen altert, als einen ausschließlich seiner Existenz zuzuordnenden Gesichtspunkt und nicht als einen das Sachmängelrisiko erhöhenden Faktor bewertet."

Allein der Umstand, dass die Geburt des Tieres einige Wochen oder Monate zurückliegt, genüge für die Annahme eines erhöhten Sachmängelrisikos jedoch nicht. Allgemeingültige Grenzen, ab wann ein noch nicht einer Verwendung zugeführtes Tier nicht mehr als "neu" zu bewerten ist, lassen sich laut BGH auch nicht aufstellen. Diese Beurteilung sei aufgrund einer umfassenden Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen und obliege in erster Linie dem Tatrichter.

Dem OLG seien dabei keine Rechtsfehler unterlaufen, entschied der BGH. So seien beispielsweise eine nicht artgerechte Haltung, eine falsche Fütterung oder eine fehlerhafte tierärztliche Behandlung als Erhöhung des Sachmängelrisikos zu bewerten. Dieses sei bei einem zweieinhalb Jahre alten Hengst aufgrund der Vielzahl der in diesem Zeitraum auf ihn einwirkenden Einflüsse so erheblich, dass das Tier nicht mehr als "neu" im Sinne des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen sei.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Pferdekauf: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38553 (abgerufen am: 13.12.2024 )

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