BGH zur "gefährdet erscheinenden" finanziellen Leistungsfähigkeit: Miet­ver­trag mit einem Aus­zu­bil­denden zumutbar

31.01.2018

Ein Azubi, der in den Mietvertrag seiner verstorbenen Lebensgefährtin eingetreten ist, bleibt Mieter: Für eine außerordentliche Kündigung wegen der drohenden finanziellen Leistungsunfähigkeit braucht es konkrete Anhaltspunkte, so der BGH.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mieters eingetretenen (neuen) Mieters nur in besonderen Ausnahmefällen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 563 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht kommt (Urt. v. 31.01.2018, Az. VIII ZR 105/17). 

Geklagt hatte ein Lehrling aus Wendlingen (Kreis Esslingen), der nach dem Tod seiner Lebensgefährtin in den Mietvertrag für die gemeinsame Wohnung eingetreten war. Einige Monate später bat er darum, ein Zimmer an einen Arbeitskollegen untervermieten zu dürfen, um die Kosten dauerhaft zu decken. Der Vermieter stimmte dem aber nicht zu und kündigte das Mietverhältnis aus wichtigem Grund: Der Azubi könne den Mietzins samt Nebenkosten nicht auf Dauer leisten.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage des Azubis auf Zustimmung zur Untervermietung ab und gaben der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Widerklage des Vermieters statt. Die "gefährdet erscheinende" finanzielle Leistungsfähigkeit des Azubis habe den Vermieter nach Auffassung der Vorinstanzen zur außerordentlichen Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB berechtigt.

BGH: Umstände müssen zuverlässigen Schluss auf Leistungsunfähigkeit zulassen

Außerordentliche Kündigungen seien auch in diesem Fall nur aus wichtigem Grund möglich und nur dann, wenn die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar ist, so der BGH. Die auf eine bloß drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Mieters gestützte Unzumutbarkeit müsse stets auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruhen, die nicht bloß die Erwartung rechtfertigen, sondern vielmehr den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen alsbald ausbleiben werden. "Das muss der Vermieter darlegen und begründen - und eben nicht der Mieter", betonte die Vorsitzende Richterin Karin Milger.

Die stets pünktlichen eingegangenen 545 Euro plus Nebenkosten habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt. "Dabei hätte der Mieter Bedenken gegen seine Zahlungsfähigkeit doch gar nicht deutlicher ausräumen können", so Milger. Konkrete und objektive Anhaltspunkte dafür, dass der junge Mann nicht genug Geld habe, habe es aber nicht gegeben. Außerdem habe der Vermieter weder das Vermögen des Mannes berücksichtigt noch die Untervermietung eines Zimmers erlaubt.  

acr/LTO-Redaktion

mit Materialen der dpa

Zitiervorschlag

BGH zur "gefährdet erscheinenden" finanziellen Leistungsfähigkeit: Mietvertrag mit einem Auszubildenden zumutbar . In: Legal Tribune Online, 31.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26821/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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