Hat VW nach Bekanntwerden des Dieselskandals nur die eine Schummelsoftware durch eine andere ersetzt? In seiner ersten Entscheidung zum Software-Update im Diesel-Skandal kommt der BGH zu dem Schluss, dass dem nicht so ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer ersten Entscheidung zum Software-Update im Diesel-Skandal Schadensersatzansprüche gegen Volkswagen verneint. Anders als beim millionenfachen heimlichen Einsatz der illegalen Abgastechnik selbst, sei VW hier kein sittenwidriges Verhalten mehr vorzuwerfen, teilten die obersten Zivilrichter in Karlsruhe am Donnerstag mit. Das Update, mit dem die Manipulations-Software nach Auffliegen des Skandals aus den betroffenen Autos entfernt werden musste, sei mit der zunächst eingesetzten Technik nicht zu vergleichen (Beschl. v. 09.03.2021, Az. VI ZR 889/20).
Der Kläger hatte behauptet, das sogenannte Thermofenster in dem Update sei ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung. Es sorgt dafür, dass die Abgasreinigung bei bestimmten Außentemperaturen stark reduziert oder ganz abgeschaltet wird. Er wollte deshalb seinen VW Tiguan zurückgeben, den er erst nach Bekanntwerden des Skandals im September 2015 gekauft hatte. Vor Gerichten in Rheinland-Pfalz hatte er damit keinen Erfolg. Der BGH wies nun auch seine Nichtzulassungsbeschwerde dagegen ab.
Das Verhalten von VW sei nicht als sittenwidrig anzusehen, hieß es in einer Mitteilung des BGH. Dies gelte laut Gericht selbst dann, wenn die Behauptung des Klägers als zutreffend zugrunde gelegt wird, mit dem Software-Update sei eine neue unzulässige Abschaltvorrichtung in Form eines Thermofensters implementiert worden. Der darin liegende – unterstellte – Gesetzesverstoß reiche laut BGH nicht aus, um das Gesamtverhalten von VW als sittenwidrig zu qualifizieren.
Keine Anhaltspunkte für bewussten Gesetzesverstoß
Während die ursprüngliche Prüfstanderkennungssoftware "unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielte und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleichsteht", sei der Einsatz eines Thermofensters "nicht von vornherein durch Arglist geprägt", hieß es. Es müssten daher weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für VW handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
Laut BGH würde das voraussetzen, dass diese Personen bei der Entwicklung oder Verwendung des Thermofensters "in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen." Anhaltspunkte hierfür gebe es jedoch nicht. Auch dass das Thermofenster nach der - unterstellten - Behauptung des Klägers negative Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch und den Verschleiß der betroffenen Fahrzeuge habe, führe nicht zur Sittenwidrigkeit des Verhaltens von VW.
VW: Auswirkungen auf tausende anhängiger Verfahren
VW begrüßte die Entscheidung. Der Beschluss habe Auswirkungen auf tausende anhängiger Verfahren, so ein VW-Sprecher. "Wir gehen davon aus, dass diese nun zügig beendet werden können."
Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Zulässigkeit der Thermofenster war mit Spannung erwartet worden. Der BGH hatte bereits mehrere Verhandlungstermine angesetzt, die jedoch immer wieder abgesagt wurden. Grund dafür war, dass die Kläger ihre Revision zurücknahmen.
Das Wolfsburger Unternehmen, dem in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen wurde, es verhindere letztinstanzliche Entscheidungen des BGH, um Präzedenzurteile zu vermeiden, betonte deshalb im Februar, sich mit dem Kläger nicht verglichen oder anderweitig auf die Rücknahme der Revision hingewirkt zu haben. VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner erklärte damals zudem: "Wir sehen, dass sich in Deutschland eine Klageindustrie entwickelt hat, der es nicht mehr um die rechtliche Klärung für ihre Mandanten geht, sondern um die eigenen Gebühren."
acr/LTO-Redaktion
Erster BGH-Beschluss zu Software-Update im Dieselskandal: . In: Legal Tribune Online, 11.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44480 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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